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Freitag, 14. April 2017

Die Bloggerinnen aus der InStyle: Mai 2017

Ob „Prima Stylerina“ oder „Streetstyle Darling“: Wie ich nicht müde werde, zu protokollieren, entwickelt die Münchner „InStyle“-Redaktion sehr viel Geschick darin, sich Berufsbezeichnungen für die in ihrem Heft abgebildeten Stars und Sternchen einfallen zu lassen.
Nichtsdestotrotz ist bei aller Vielfalt mal wieder ein Trend festzustellen: unter all den zahllosen Influencerinnen, It-Girls und Top Models nehmen die Bloggerinnen wieder zu. Natürlich sind sie meist nett anzusehen, aber bloggen sie auch Spannendes und Sehenswertes? Daher ab jetzt mein spezieller Service für Kerstin Wengs Leserinnen: Links zu allen im Heft abgebildeten Bloggerinnen.

Donnerstag, 19. März 2015

Lüpfen wir einen auf den Liebster Award (stöckchenhalber)

Emmanuelle hat mich eingeladen, elf Fragen rund ums Trinken (Liebster Award) zu beantworten:

Und natürlich kann ich ihr diese Bitte nicht abschlagen. Da ich aber als Katzenfreund meine Vorbehalte gegenüber dem hündischen Stöckchensport hege, lade ich niemanden ausdrücklich dazu ein, zu apportieren. Ihr dürft die Fragen gern aufgreifen, und wer mich davon benachrichtigt, darf hoffen, von mir via Blog, Twitter und/oder Facebook erwähnt zu werden.

1. Was ist dein liebster Drink? 
Ein 102 (so nannte Serge Gainsbourg seinen doppelten 51). Pastis ist für mich zum Gaumenschmeichler geronnene Sonne. Im James T. Hunt haben sie für meine Pastis-Nachmittage eigens eine Glaskaraffe angeschafft.

2. Wann hast du das erste mal Alkohol getrunken? 
Als Volksschüler die Noagerl der Wiesn-Maß meiner großen Brüder.

3. Welchen Drink hast du am meisten bereut? 
Eine Cognac-Nacht im Park Café während der achtziger Jahre. Der erste und einzige Filmriß meines Lebens.

4. Bar oder Kneipe?
Bar! Die Frauen sind verführerischer, die Drinks spannender, die Kellner unnahbarer... Wenn bloß diese rüden Türsteher nicht wären.

5. Champagner oder Schaumwein? 
Champagner-Campari-Wodka. Journalisten meiner Generation tranken den Turbomix bereits mittags bei Pressekonferenzen mit Hollywood-Stars im Bayerischen Hof.

6. Mit wem würdest du gerne trinken? 
Esther.

7. Bei wem würdest du gerne trinken? 
Charles Schumann. Aber seitdem er vor zwei Jahren meinte, ich müßte ihm dankbar sein, bin ich nicht mehr in der Bar am Hofgarten gewesen.

8. Wie sieht deine Home Bar aus? 
Basics: Absolut Wodka, Jack Daniel's, Campari, Weißwein, Rotwein, Champagner, Augustiner, Updates: Pastis 51 und der großartige Soda-Syphon von Pachmayr – wenn für einen Normalverbraucher wie mich zu ergattern.
Nach Möglichkeit: Boukha Bokobsa, Old Grand-Dad, einen unverschnittenen karibischen oder südamerikanischen Rum, Single Malt, Grasovka.

9. Beschreib deine Eiswürfel. 
14 quaderförmige normale Eiswürfel.

10. Was ist deine Gin-&-Tonic-Empfehlung? 
Nach Möglichkeit meiden.

11. Wie bekämpfst du deinen Hangover?
Magnesium-Brausetablette und Aspirin möglichst noch bevor ich ins Bett gehe, Verveine am nächsten Tag. Gern auch Hering, Salzgurke oder ähnliches.
Im worst case eine kleine ungekühlte Cola über die Dauer einer Stunde in kleinen Schlucken trinken.
Meinen letzten Hangover hatte ich vor vierzehn Jahren, als ich in Strasbourg wohnte und pro Nacht zwischen 250 und 500 Gramm Wodka im Abattoir verputzte. Aber ich war damals auch unglücklich mit einer Belorussin liiert.


Samstag, 8. Juni 2013

Twitter und wie es genutzt wird oder: Es kommt ein Stöckchen geflogen ...

Wenn mich jemand fragt, wann ich zu twittern begonnen hätte, schaue ich einfach in meinen Blog. 2009 sank die Anzahl meiner Einträge um zwei Drittel, also wird es ungefähr damals gewesen sein. Denn so gern ich bloggte, oft ging es mir nur um ein Zitat, einen Link, ein Video. Notgedrungen drechselte ich dann meist noch ein bißchen Text drum herum, aber mit Twitter kam dann doch die dynamischere Plattform, um derartige kuratorischen Funde ohne viel Geschwurbel zu plazieren.
Um so origineller, daß nun gerade Twitter einen Blogbeitrag generiert: Kathrynsky hat mir ein Stöckchen zugeworfen,  einen Fragebogen rund um meine Tweets. (Und bei der Qual der Wahl dreier weiterer zu Befragenden ist mir aufgefallen, wie selten die Twitterer, denen ich gerne folge, nebenbei auch bloggen und erst so den Fragebogen auch beantworten könnten.)

Wer bist Du auf Twitter? Seit wann bist Du auf Twitter? Nutzt Du Twitter vorwiegend privat oder beruflich?
Tatsächlich habe ich nicht erst 2009 angefangen, sondern bereits am 18. Juli 2008 - brauchte aber offenbar ein paar Monate, um damit warm zu werden. Damit war ich gemessen an vielen anderen – wie so oft – ein late adopter. Ich habe Twitter sogar lange Zeit beschimpft und diskreditiert, dann wohl auch nur angefangen, um mitreden und besser motzen zu können. Tja, und schon war ich angefixt.
Als @nicebastard twittere ich, wie ich blogge. Ohne Sinn und Verstand.
Erst heute schrieb twitterte mir Nobert Eberle: „Dir folge ich ja schon deswegen auf Twitter, weil mich dein kunterbuntes Themen-Portfolio immer wieder überrascht bzw irritiert“. Ein anderer verglich meine Tweets bei einer #mucly-Party einmal mit einer Zeitung. Die bestehe schließlich auch aus mehreren Ressorts, von der Politik über das Feuilleton und die Meinungsseite bis zum Vermischten.
Ich empfehle es gern anderen, sehe es aber bei mir selbst gar nicht ein, meinen Kanal zuzuspitzen und thematisch auszurichten, um mehr Leser oder Anzeigenerlöse zu erreichen.
Meine Tweets spiegeln ziemlich genau meine Lebensinteressen wieder, die nun mal sehr breit gefächert bis widersprüchlich sind. Man solle daraus nun ja nicht schließen, daß @nicebastard und ich identisch wären. Der twitternde Dorin ist eine Kunstfigur, eine Inszenierung, kein Exhibitionist.
Aber in vielen Dingen doch recht nah am echten Menschen. So wie ich als Journalist ungern Privates und Berufliches trenne, sondern auch Privatestes immer mit dem Auge des professionellen Beobachters betrachte und gerne verwerte, mischt es sich auch bei Twitter.
Zumindest bei meinem Hauptaccount. Die Tweets als @100tagebuecher sind deutlich stringenter und auf meinen Pop-up-Store und dessen Branche bezogen. Von den gelegentlichen Einsätzen als Ghosttwitterer für Auftraggeber ganz zu schweigen.

Zu welchen Themen veröffentlichst Du Deine Tweets?
Zu allem, was gerade meine Aufmerksamkeit genießt. Das kann die Kellnerin in meinem Café sein. Der Verlag, für den ich als Printjournalist arbeite. Die Adelshochzeit, die ich gerade im Fernsehen gucke. Die lügende BILD-Zeitung. Die lügende BILD-Zeitung. Die lügende BILD-Zeitung. Oder eine breaking news, die sich plötzlich zu einer ganzen Arabellion entwickelt, mich mitreißt und meinen Fokus plötzlich aus dem saturierten Leben eines Medienmünchners in Regionen schleift, von denen ich wenig Ahnung habe, für die ich mich aber plötzlich mit dem handwerklichen Geschick von über dreißig Jahren Journalismus, aber auch viel Glück kuratierenderweise so weit bewähre, daß ich plötzlich viele Follower aus dem Ausland habe. Die ich mit meinen privaten Tweets nicht allzu sehr nerve, da sie eh kein Deutsch verstehen.

Wie viel Zeit pro Woche nimmst Du Dir für Twitter?
 Pro Woche? Man müßte es wohl auf den Tag oder die Stunde herunterbrechen, aber sagen wir mal: verdammt viel. Als Nachrichtenjunkie bin ich ständig online, wobei man meinen Tweets durchaus anmerkt, ob ich gerade mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs bin. Dann kommt immer ein Schwall an Retweets der interessantesten internationalen Kollegen.

Auf welchen Social-Media-Kanälen bist Du aktiv?
Wo nicht? Die wichtigsten sind hier rechts im Blog unter einem misspiggyesken „Moi“ aufgeführt. Dann bin ich mindestens ebenso auf Plattformen unterwegs, auf die man nicht verlinken sollte, wenn man Google Ads integriert hat.

Welche Position nimmt Twitter für Deine Kommunikation in all Deinen Social-Media-Kanälen ein?
Twitter ist der Hub, der Katalysator, Turbo, Schrittmacher oder wie immer man auch sagen will. Bei Facebook kann man zwar auch alles einbinden, aber wie ein kluger Kopf einmal gesagt hat: Facebook ist synchron, Twitter asynchron. In meinen Worten: bei Facebook schwappt man in der eigenen Peer-Group, Twitter öffnet neue Horizonte.

Organisierst Du Tweet-ups bzw. nimmst Du daran teil?
Ich melde mich zu vielen an, hin und wieder komme ich dann auch tatsächlich und ein, zwei Mal bin ich sogar länger als ein paar Minuten geblieben. Auf Twitter stilisiere ich das natürlich als meine soziopathische Seite.

Wofür verwendest Du Twitter vorwiegend?
Wie immer geht es um Liebe und Zuneigung. (Ersatzweise Sex.) Hat beim Bloggen auch geklappt. Meine Geduld wird aber bei Twitter arg auf die Probe gestellt. Vielleicht sollte ich doch die Plattform wechseln.

Welche Gesamtnote von 1 – 6 würdest Du Twitter geben und wieso?
1  mit Stern und Heiligenbildchen (gab's bei uns an der Dom-Pedro-Schule in den Sechzigern.)

Welche Tools nutzt Du mit welcher Hardware für Deine Aktivitäten auf Twitter? 
Auf dem Silberbaby Twitter für Mac, das gelegentlich hängt.  Dann weiche ich auf die Website im Browser aus.
Auf dem Smartphone anfangs die Twitter-App, bis sie mir zu unstabil wurde. Bin dann knauserig zu Echofon gewechselt, bis mir @breisacher erklärte, daß Echofon und Tweetbot so verschieden seien wie ein geschenktes Beck's und ein zu bezahlendes Augustiner. Habe dann Tweetbot gekauft, lange nicht kapiert und mich inzwischen darin zurechtgefunden. Neuerdings lahmt Tweetbot aber bei Bilder-Uploads und ich nutze dafür gern die neueste Version der Twitter-App. Auf gut deutsch: Auf meinem Handy ertönten zweitweise bis zu drei verschiedene Hinweistöne, wenn ich in einem Tweet erwähnt wurde.
Auf dem Tablet wiederum nutze ich die offizielle Twitter-App, und aufgrund der größeren Tasten und Schrifttypen twittere ich inzwischen am liebsten damit. Man ist schließlich nicht mehr der Jüngste.

Die Nächsten, bitte!
Spontan fallen mir natürlich drei andere ein. Da die aber nicht bloggen, müssen wohl oder übel @katikuersch, @hrbruns und @fraeulein_tessa Ausputzer spielen. (Wobei ich begründete Zweifel habe, daß letztere in meinem Kompetenzteam mitmacht.)

Update: Braves Hündchen,  auch wenn @katikuersch es haßt, hat sie doch apportiert. @hrbruns hatte hoffentlich mehr Freude dabei. Nur @fraeulein_tessa schweigt wie ein Karnickel – und wie erwartet.

Mittwoch, 2. November 2011

re:publica 2012 – möglichst ohne Prekariat

Dinge ändern sich. So verläßt die re:publica die traditionelle, zu klein gewordene Wirkstätte in der Kalkscheune samt seltsamem Wurmfortsatz, dem Friedrichstadtpalast, und zieht nächstes Jahr ans Gleisdreieck und somit (zumindest für mich als ehemaligem Wahl-Berliner) ins Nichts. Und paart sich zudem mit der NEXT zur BerlinWebWeek. „Plug and play“? Nicht unbedingt!
Denn manche Dinge ändern sich nie. Es schmücken sich ja viele mit dem Rubrum „Digitale Bohème“, aber neben den besserverdienenden Werbe-Ikonen, Vortragsreisenden und Consultants gibt es eben auch genug, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Vor Konferenzen wie der re-publica liest man schon öfters den einen oder anderen Tweet, in dem nicht unbekannte Blogger um ein gesponsertes Ticket buhlen. (Wobei – nur um Mißverständnissen vorzubeugen, die re:publica mit Preisen ab 60 Euro für drei Konferenztage ausgesprochen preiswert ist! Aber das ist für manche immer noch sehr viel Geld.)
Ganz so schlimm war es bei mir noch nicht. Bisher konnte ich meine Eintrittskarte noch selber bezahlen. Da sah die Anmeldeprozedur via Amiando aber auch noch die Möglichkeit vor, das Earlybird-Blogger-Ticket online rechtzeitig zu blocken und den Kaufpreis dann zu überweisen. Heuer wurde diese Option gestrichen. Jetzt wollen die Berliner Netz-Herrschaften sofort Geld sehen: ob via Kreditkarte, Direct Debit oder PayPal (letzteres unter den politisch Denkenden in der Blogosphäre ja zumindest ein zweifelhafter Geschäftspartner seit den Vorkommnissen um Wikileaks und Kuba).
Das Team von Newthinking widersprach meinen zweifelnden Worten sofort via Twitter und behauptete erstmal, die Zahlungsmöglichkeiten hätten sich nicht geändert: „war schon immer so! (Zumindest wenn wir die Einstellung bei Amiando richtig im Griff hatte, hüstel)“ Noch bevor ich mit einem Griff in meine Buchhaltung die Belege fand, daß ich sowohl für die re:publica 2010, als auch für die re:publica 2011 das Geld überwiesen habe, die re:publica ihre Amiando-Einstellungen also offenbar über Jahre nicht im Griff hatte, korrigierten sich die Veranstalter: „OK. Für uns ist der Verwaltungsaufwand bei Überweisungen zu hoch.“ (Für uns? Läuft das nicht über Amiando?)
Nun hätte ich theoretisch vorhin sogar noch das letzte Earlybird-Blogger-Ticket abbekommen, aber ich besitze nunmal keine Kreditkarte, und sowohl mein Bankkonto, als auch mein PayPal-Koto (ja , ich gestehe, ich habe noch eines, obwohl ich deren Politik verurteile, aber ohne Kreditkarte ist es eben sehr hilfreich, wenn man öfters im Ausland bestellt), jedenfalls sind meine Konten auf null. Das wird sich zwar im Lauf der nächsten Wochen ändern, aber bis dahin sind die Blogger- oder Earlybird-Tickets vielleicht schon weg.
Man kann so eine buchhalterische Angelegenheit natürlich rein technisch, als „Verwaltungsaufwand“ betrachten. Andererseits sind Verwaltungsprozeduren immer auch der cleverste Weg zu selektieren. Wenn eine Lufthansa das Papierticket abschafft, erschwert man den Armen und Fremden, die keine Kreditkarte oder Kundenkarte besitzen, überhaupt zu fliegen. Überall wo das Handy Zahlungs- und Ticketfunktionen übernimmt, entledigt man sich des Prekariats, das kein Handy oder zumindest kein Smartphone besitzt. So jemand wie ich würde natürlich immer einen Weg finden. Die Kreditkarte von Freunden benutzen, das Direct Debit über ein fremdes Konto laufen lassen, einen Kumpel bitten, mein PayPal-Konto schnell aufzupimpen.
Aber solch eine erzwungene Entschleunigung hat auch immer ihre Vorzüge. Statt sich vom Hype mitreissen zu lassen, sich schnell ein Ticket zu sichern, hat man plötzlich Muse, darüber nachzudenken. Und wenn ich ehrlich bin, muß ich gestehen: Bei dieser re:publica habe ich ehrlich gesagt nichts zu suchen.

Update: Bloggen lohnt sich. Inzwischen bietet die re:publica auch Prepayment wieder als Zahlungsoption an.

Montag, 24. Oktober 2011

Agora (4): „Revolutionsplattform Facebook? Wie das Internet politische Umbrüche beeinflusst“ von Thomas Krüger

Natürlich ist es immer ein äußerst subjektiver Eindruck, aber wenn ich auf die Münchner Medientage 2011 zurückblicke, bleiben die politischen Panels am positivsten in Erinnerung. Denn die Consultants und Berater übten sich meist nur in Kremlastrologie bei dem Bemühen, über Trends und Verbraucherverhalten den nächsten Dekaden zu spekulieren. Und der Schwanzvergleich der Techniker und Praktiker endete meist in einem geheimniskrämerischen „Meine Entwicklung ist besser als Deine, aber so geheim, daß ich nicht näher darauf eingehen kann.“
Wie erfrischend dagegen meine drei Favoriten heuer, die Gesprächsrunden zu „Die arabische Welt in den Medien“, „Polit-Talks: Zwischen Information und Inszenierung“ und der – den dreitägigen Kongress abschließende – „Content-Gipfel - Meinungsbildung heute: Wer setzt die Themen auf die politische Agenda?“ Natürlich saßen auch in diesen Veranstaltungen nicht nur Sympathen auf den Podien, Heiner Geißler etwa entpuppte sich als altersstarrer Journalistenhasser, aber es waren aufschlußreiche Zirkel, in denen aus dem Nähkästchen geplaudert wurde und hervorragende Moderatoren gute Arbeit leisteten.
(Wie gesagt, ein subjektiver Eindruck. Harald Staun sah das etwa in Sachen „Polit-Talk“ ganz anders und lästerte gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kurz und heftig darüber ab.)
Mein abolutes Highlight war Thomas Krügers Keynote zum Content-Gipfel. Die Manuskriptfassung der Rede des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung dokumentiere ich hier vollständig. Es existiert aber auch eine Videoaufzeichnung des Content-Gipfels – schließlich „gilt das gesprochene Wort“. Dorin Popa

Teil I: Digitale Revolution?

Wir haben in den letzten Monaten viel von „Facebook-Protesten“, „Twitter-Bewegungen“, „Handy-Revolutionen“ oder „Blackberry-Aufständen“ gelesen. Den digitalen Graswurzelmedien wird bei den Protestbewegungen in Teheran, Kairo, Stuttgart, London, New York oder neuerdings Frankfurt eine zentrale Rolle zugeschrieben. Zwei Grundannahmen, die gerne auch für den digitalen Wandel in anderen Teilen der Gesellschaft genutzt werden, sind dabei sehr beliebt: Entweder wird impliziert, dass da etwas ganz Neues gekommen sei und alles Alte ersetze, so nach dem Motto: „Im Zeitalter von Facebook und YouTube braucht es Zeitungen und Fernsehen gar nicht mehr.“ Oder es wird davon ausgegangen, dass das Alte durch etwas Neues ergänzt werde, quasi als „Add-On“, als Anbau an das Bestehende. Beide Grundannahmen sind falsch: Im digitalen Wandel wird das Bestehende nicht ersetzt oder ergänzt. Das Neue verändert das Bestehende. Wir kennen das aus der Mediengeschichte bereits. Schauen Sie sich die Entwicklung von Kinofilm und Fernsehen an. Aber das macht eben den digitalen Wandel viel gewichtiger und komplexer, als es manche Diskussionen vermuten lassen.
Schauen wir uns einmal um: Die Akteure des Wandels in Ägypten sprechen nicht von einer Facebook-Revolution. Der Kairoer Blogger Basem Fathy meint, „es war mehr eine Revolution der Füße als der Sozialen Netzwerke.“ Natürlich verändert die Nutzung von Social Media die Kommunikation, die Organisation, die Struktur, vor allem auch die Geschwindigkeit und die Öffentlichkeit von Protesten. Aber der Einsatz von Facebook & Co für soziale Bewegungen ist heute nicht mehr der Sonder-, sondern der Normalfall. Spätestens seit sich auch die Tea Party in den USA mithilfe des Internets organisiert hat, dürfte auch den letzten strukturkonservativen Netzmuffeln klar geworden sein, dass die Social Media im Mainstream angekommen sind. Dadurch werden aber die bisher wichtigen Elemente von Protest oder Revolution weder ersetzt noch überflüssig. Weiterhin bedarf es der Präsenz auf der Straße. Verabredungen wurden im Iran, in London, Kairo und Stuttgart online getroffen und die digitale Vernetzung wirkte bisweilen wie ein Brandbeschleuniger. Aber ihre Kraft entfalteten die Proteste auf den Dächern von Teheran, auf den Straßen von Tottenham, auf dem Tahrir-Platz in Kairo und eben im Schlossgarten.
Außer der Straße braucht Protest auch immer noch Öffentlichkeit durch die Massenmedien. Im Arabischen Frühling reichten die Handy-Videos auf YouTube allein nicht aus, um eine so große Wirkung zu erzielen. Entscheidend war vielmehr, dass Al-Jazeera oder Al-Arabia die YouTube-Videos über das Satelliten-TV zu den Offlinern und in den Rest der Welt gebracht haben. Wenn wir uns Al-Jazeeras Arbeit, die Symbiose zwischen Publikum und Sender anschauen, sehen wir, dass der digitale Wandel die Arbeit des Fernsehens weder ersetzt noch einfach ergänzt, sondern grundlegend verändert.
Unser Blick von außen (also vor allem der der Medien) reicht meist nur bis zu der Frage nach der Rolle von Social Media für einen Umsturz. Spannend ist aber erst recht, was nach dem Beginn der Umbrüche passiert. In den Tagen und Wochen nach der Revolution in Ägypten haben sich sehr schnell auch Ministerien und Politiker bis hin zum Militärrat Facebook-Accounts angelegt, so dass dort für Ägypten ganz neue Formen der Diskussion zwischen Bürger und Staat stattfinden. Eine Statusmeldung des ägyptischen Militärrats kann auf Facebook schon mal zu mehr als 100.000 Kommentaren führen. Das alles ändert aber nichts daran, dass gleichzeitig Blogger wie Maikel Nabil Sanad für ihre Kritik an der Militärführung in den Knast gesteckt werden.
Auch andernorts hat der Arabische Frühling vielversprechende Projekte hervorgebracht, etwa in Marokko, wo z.B. auf der Crowdsourcing-Website www.reforme.ma Änderungsvorschläge zur Verfassungsreform zusammen getragen wurden.
Von Revolutionen und Verfassungsreformen sind wir in Deutschland 22 Jahre nach dem Mauerfall wieder weit entfernt. Wir verfügen über etablierte Institutionen und Prozesse, was wir als Hinweise für eine stabile Demokratie deuten dürfen. Andererseits sind die Zeichen der Unzufriedenheit und der Unzulänglichkeit des politischen Prozederes nicht zu übersehen und mit Händen zu greifen. Transparenz, Partizipation, Internet – mit diesem Dreiklang gelang einer bis vor kurzem noch belächelten Partei gerade der größte Wahlerfolg, den Deutschland in den letzten Jahren gesehen hat.
Partizipation mithilfe des Internets erfolgt in Deutschland, wenn überhaupt, noch nach alten Mustern: Der Staat ruft, die Bürgerinnen und Bürger dürfen mitmachen. Meist handelt es sich bei solchen Beteiligungsformen nur um die „Digitalisierung“ von bewährten Partizipationsformaten wie Bürgerhaushalt oder Konsultationsverfahren. Bei diesen Formen der Partizipation 1.0 gibt es analog zum Web 1.0 ein klares Oben und Unten, eine Trennung in Initiator und Teilnehmer. Auch hier finden wir wieder das einleitend angesprochene Muster: Der digitale Wandel wird als Add-On an bestehende Institutionen und Prozesse angedockt, ergänzt und optimiert ein bisschen, aber verändert nicht grundlegend.
Da ist die Zivilgesellschaft schon weiter. Ihre Akteure verstehen sich auf Partizipation 2.0, also Beteiligung, die nicht von oben initiiert wird, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern ausgeht und auf den Staat oder direkt in die Gesellschaft zielt. Die Parallelen zum Web 2.0 bedeuten: Jeder ist gleichzeitig Konsument und Produzent, jeder kann auch senden, initiieren, sich engagieren, einmischen und Gehör verschaffen, ohne dass er darauf wartet, gefragt zu werden. Aus der repräsentativen Demokratie wird eine Mitmachdemokratie, eine diskursive Demokratie, die Repräsentanten nicht ersetzt, sondern verändert.
Mit neuen Formen der demokratischen Entscheidungsfindung, die unter dem Begriff Partizipation 3.0 zirkulieren, experimentiert zum Beispiel die Piratenpartei. Mit Liquid Feedback, Delegated Voting und Liquid Democracy werden – nicht ohne heftige innere Kontroverse – Formen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie erprobt: Parteimitglieder können über eine speziell entwickelte Liquid Feedback-Software eigene Anträge einbringen, zur Diskussionen stellen und bei ausreichender Unterstützung zur Abstimmung bringen. Zu dem Konzept gehört aber nicht nur die Möglichkeit, sich direkt einzubringen, sondern vor allem auch, seine Stimme zu delegieren, wenn man jemand anderes in einer Frage für kompetenter hält. Damit fließen – daher „liquid“ – direkte und repräsentative Demokratie ineinander. Der periodische Wahlakt auf der Basis umfangreicher Gesamtprogramme wird hier zugunsten eines ständigen, öffentlichen Diskurses mit themenspezifischen Abstimmungen überwunden. Schließlich soll sich in einer Liquid Democracy jeder flexibel an Entscheidungen beteiligen können und Mehrheiten organisieren.
Das ist nun im Prinzip nichts Neues, sondern die digitalisierte Version der alten basisdemokratischen Idee – eine diskursive Aushandlung von Positionen im (so weit wie möglich) herrschaftsfreien Raum. Das Volk gibt sich dabei seine Regeln unmittelbar selbst. Dieses Rousseau'sche Demokratieverständnis haben zuletzt die Grünen in den 80er Jahren für die politische Praxis wiederbelebt. Was dieses Mal aber – nicht nur bei den Piraten, sondern generell – den entscheidenden Unterschied für den Erfolg ausmachen könnte, ist, dass die technischen Möglichkeiten potenziell den Zugang und die Reichweite dieses Aushandlungsprozesses vereinfachen. Bisher konnten Skeptiker gewichtige praktisch-logistische Gegenargumente ins Feld führen – heute geht es vor allem um die Frage, ob wir das alles wirklich wollen oder nicht.
Das Netz bietet zweifellos nicht nur für die politische, sondern auch für die kulturelle Teilhabe großartige Möglichkeiten jenseits der etablierten Formen und Institutionen. Allerdings scheint mir dieses „jenseits“ oder „abseits“ bisweilen eher zwangsläufig als selbstgewählt. Öffentlicher Raum, der für unser Verständnis von Kultur konstitutiv ist, bedeutet im Internet 2011 meistens die von Apple, Google, Facebook oder Twitter kontrollierte Öffentlichkeit. Hier gewinnen Quasi-Monopole die Oberhand mit einem Geschäftsmodell, das darauf setzt, sich möglichst umfangreich die Daten von möglichst vielen Nutzern und deren Kontakten einzuverleiben und diese mit möglichst wenig Transparenz und Beeinflussbarkeit zu verarbeiten und möglichst teuer weiterzugeben. Wir füttern also den global agierenden, den globalen Gesetzen der Märkte folgenden und auf den Bermuda- und Fidschiinseln steuerzahlungsverweigernden Datenfresser. Anstatt uns um die Rückgewinnung unserer digitalen Mündigkeit zu kümmern, verlieren wir uns in Deutschland in Gefechten zwischen privaten Medienunternehmen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wobei es nicht um demokratische Öffentlichkeit, sondern in erster Linie um Profite und Quoten geht.
Zurück zu den Möglichkeiten, die der digitale Wandel für unsere Kultur bedeuten könnte: Mir scheint, dass die Akteure der öffentlich-rechtlichen Institutionen sich hierzulande in bewahrpädagogischer Duldungsstarre üben. Hier und da ein wenig digitales Add-On ist zwar inzwischen schick und angesagt, die anstehende Neujustierung des Bildungs- und kulturpolitischen Raums bleibt jedoch aus. Dabei steht die Öffnung der öffentlichen (der Name sagt es doch schon!) Institutionen gleich in dreifacher Hinsicht an: Sie müssen sich 1. für die digitalen Medienwelten, 2. für ihre Nutzer und 3. für eine gesellschaftliche Debatte über den öffentlichen Raum im 21. Jahrhundert öffnen. Wie lautet im digitalen Raum eigentlich die Begründung dafür, dass öffentliche Archive und Depots noch verschlossen bleiben? Warum stehen öffentlich finanzierte Inhalte nicht frei zugänglich im Netz? Mehr noch: Wie kann man gar auf den grotesken Gedanken kommen, dass öffentlich finanzierte Inhalte sogar wieder de-publiziert, der Allgemeinheit, die sie bezahlt hat, wieder genommen werden müssen? Und wenn Apple eine schöne neue Welt der cloud (Datenwolke) baut, und Google und wer sonst auch immer – wo ist eigentlich die deutsche, europäische oder weltweite nicht kommerzielle, freie Datenwolke der Bildung und Kultur? Wer baut daran? Und wer warum nicht?
Der digitale Wandel bietet die Chance, wenn nicht sogar die Notwendigkeit für eine Renaissance der öffentlichen Kultur, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnt und bei Forschungsdaten, Museen, Musik und Literatur noch nicht endet. Es geht um die Sicherung von Gemeingütern und nicht um ihre Verramschung. Erste Versuche wie die Europeana und die Deutsche Digitale Bibliothek sind lobenswert, aber marginal. Der Etat für den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek, in der die Inhalte von 30.000 deutschen Bibliotheken, Museen und Archiven vernetzt und zugänglich gemacht werden sollen, beträgt pro Jahr 2,6 Millionen Euro. Übrigens: Dieser Etat entspricht den Werbeeinnahmen, die Google in einer Stunde umsetzt, oder einem Viertel des Budgets, welches die ARD dem Vernehmen nach pro Jahr für Günter Jauchs Talkshow ausgibt.

Teil II: Die gesellschaftlichen Akteure im digitalen Wandel

Werfen Sie mit mir einen Blick auf die gesellschaftlichen Akteure, die an der Debatte über den digitalen Wandel beteiligt sind.
Der digitale Wandel hat inzwischen die allermeisten gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Die Geschäfte von Musikindustrie und Buchhandel, die Arbeit der Journalistin und des Politikers, die Anbahnung von Partnerschaften und sogar unser Verständnis des Wortes „Freund“. Aber eine für unsere Gesellschaft ganz entscheidende Sphäre beginnt gerade erst, den digitalen Wandel zu erfassen bzw. von ihm erfasst zu werden: der Bildungsbereich. Erlauben Sie mir darum bitte einen kurzen Exkurs in eigener Sache:

Die politische Bildung ist vom digitalen Wandel gleich in dreifacher Hinsicht betroffen:

1. Auch wir suchen Wege, der sich verändernden Kultur der Mediennutzung zu begegnen.

Wie sehen unsere Publikationen und unsere Veranstaltungen in Zukunft aus? Werden wir vom Produktherausgeber zum Serviceanbieter? Steht statt reinen Informationsangeboten künftig mehr Interaktion im Mittelpunkt? Wie gestalten wir das Verhältnis zu unseren Zielgruppen, wenn sie nicht mehr nur Kunden, sondern Mitwirkende sein können? Hinter all dem erproben wir uns an der Frage: „Wie wollen wir die Kommunikationsräume unserer Gesellschaft gestalten?“
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ist auf Facebook und Twitter aktiv. Nicht, weil wir Facebook für ein besonders unterstützenswertes Unternehmen halten. Aber die politische Bildung beansprucht für sich, zu den Menschen zu kommen, sich mitten im Leben abzuspielen. Und das Leben findet nun mal für deutlich mehr Menschen auf Facebook statt, als in Tagungshäusern und Seminarräumen, im Rathaus oder auch im politischen Feuilleton. Neben der Nutzung der derzeit vorherrschenden Netzwerke kommt es darauf an, dass wir unsere eigenen solitären Angebote zu attraktiven Plattformen für Debatten, Beteiligungen und sozialen Aktivitäten ausbauen. Wir können dabei mit offenen Standards, mit klarem Daten- und Persönlichkeitsschutz, mit Transparenz und demokratischer Kontrolle wirkliche soziale Medien schaffen.

2. Die Befähigung zur Partizipation ist zentrale Aufgabe unserer Arbeit.

Sie alle kennen Brechts Radiotheorie, die sich heute, 80 Jahre nach ihrer Niederschrift, liest wie eine Beschreibung des Internets. Brechts Forderung „Hörer sollen zum Mitspieler werden“ könnte sich auch die politische Bildung zu eigen machen: Bürger sollen mitreden und mitmachen! Gleichzeitig sind mit dem Internet die Möglichkeiten größer als je zuvor. „Medienkompetenz“ heißt für die politische Bildung: mittels Medien die Gesellschaft verstehen und selber gestalten können.

3. Die Debatte über den Wandel braucht öffentliche Räume jenseits der Massenmedien.

Der digital getriebene Wandel greift in alle Bereiche des beruflichen, des privaten und des öffentlichen Lebens ein. Eine aufgeklärte und demokratische Gesellschaft darf nicht von der Technik getrieben werden. Sie darf sich auch nicht in dem Versuch aufreiben, alle neuen Entwicklungen mit tradierten Regeln und Verfahrensweisen fassen zu wollen. Das betrifft das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Staat und Individuum, zwischen Beteiligung und Ausschluss, um nur einige Stichworte zu nennen. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen gesellschaftliche Debatten. Wer, wenn nicht die politische Bildung, sollte Plattformen für Debatten bieten, an der nicht nur die Meinungsführer, sondern der Souverän, also die Bürgerinnen und Bürger selber teilnehmen?
Werfen wir jetzt aber einen Blick auf eine für unsere Demokratie existentielle Frage: Wo konstituiert sich eigentlich „öffentliche Meinung“? Die agora der polis spielt dabei wohl nur noch eine untergeordnete Rolle. Agenda-Setting erfolgt von oben und zwar durch ein schmales und miteinander verwobenes Geflecht der Elite. Ein Thema, das wir später im Panel noch diskutieren werden. Selbstmedialisierung ist in diesem Zusammenhang zur zentralen Strategie politischen Handelns geworden. Journalisten, Politiker, Lobbyisten, Wissenschaftler … – wir alle sind Profis darin, die Diskursthemen für die übrigen 99 Prozent der Bevölkerung vorzugeben.
2011 haben die meisten Journalisten das Internet verstanden. Auf ihre Produkte hat das aber meist nur Konsequenzen in dem Sinne, dass der bisherige Modus optimiert und erweitert wird. Die klassischen Medien präsentieren stolz den Hausblogger auf der eigenen Website, den „Tweet des Tages“ in der Zeitung und die „Netzschau“ im Fernsehen. Aber sobald irgendwas im Internet nicht zum bisherigen Geschäftsmodell passt, wird es bejammert, verbannt, verschwiegen oder gleich einmal verklagt. Von Öffnung und Transparenz sehe ich bisher allenfalls einzelne Vorzeigeprojekte – und die nicht in Deutschland.
Ganz anders versteht sich die Netzwelt. Auf Blogs, Twitter und Google+ ist man überzeugt, Avantgarde für die gesamte Gesellschaft zu sein. Dort betitelt man alles Gedruckte gerne als „die Holzmedien“. Fernsehen und Presse sind von gestern. Die gegenseitige Abgrenzung ist sehr beliebt und scheint der Identitätsbildung derjenigen förderlich, die offen, bunt und transparent, aber keine „Community“ sein wollen. Wenn man sich aber anschaut, welche Themen bei Twitter am liebsten diskutiert und verlinkt werden, so sind das merkwürdigerweise die Werke traditioneller Medienmacher: Fernsehen von Talkshow bis Tatort und Texte von Heise, Spiegel oder dem Zentralorgan der deutschen Nerds, der FAZ.
Dennoch gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Bloggern und Journalisten. Anerkennung wird am wechselseitigen Bezug aufeinander gemessen. Was dem Print-Journalisten sein PMG Presse-Monitor ist, sind dem Blogger Rivva oder die Blogcharts. Die Themenvielfalt der beliebtesten Blogs ist durchaus ausbaufähig. Auch in einer anderen Frage stehen die Onliner den Offlinern in nichts nach: Frauen haben in beiden Welten, vorsichtig gesagt, nicht gerade die Meinungsherrschaft inne. Gefühlt ist das so, als würde man bei Google den Suchbegriff „Chefredakteurin“ eingeben und würde sofort die Frage zurück gespielt bekommen: „Did you mean Chefredakteur?“
Nicht viel besser als den Journalisten geht es den Politikern. Man hat fast den Eindruck, das Netz hat gar keinen Bedarf mehr an ihnen. Wenn einzelne MdBs sich dann im Twittern versuchen oder Ministerien den Dialog online suchen, werden sie entweder ignoriert oder verhöhnt.
Mit der Netzcommunity sieht die Politik sich mit einer Gruppe von Menschen konfrontiert, die hervorragend die Klaviatur der öffentlichen Kommunikation 2.0 bespielen kann. So schnell wie die Crowd Argumente prüfen, Videos produzieren, Demonstrationen organisieren und Unterschriften sammeln kann, kann der schwerfällige Apparat in Parteizentralen und Ministerien gar nicht reagieren. Aber was rückt an ihre Stelle? Droht uns anstelle von Gleichheit, Transparenz und Meinungsvielfalt gar eine Diktatur der Gut-Vernetzten?
Auch die Wissenschaft scheint dem digitalen Wandel eher abwartend zu begegnen. Damit meine ich gar nicht die „Netzwissenschaftler“, sondern vor allem die Geisteswissenschaftler wie Literaturwissenschaftler, Politikwissenschaftler, Historiker oder Philosophen, deren Disziplinen sämtlich vom digitalen Wandel betroffen sind, die das aber offensichtlich kaltlässt. Entweder sie ignorieren den digitalen Wandel oder sie sehen ihn als „Sonderforschungsbereich“. Aber auch hier gilt: Der digitale Wandel ist kein „Add-On“, dessen Untersuchung den Netzwissenschaften überlassen werden kann. Findet denn im Netz keine Literatur, keine Politik, keine Identitätsbildung statt?
Mein Fazit: Das Digitale ist nicht Ergänzung oder Ersetzung des Bestehenden, es verändert die Grundlagen. Oder wie es Gunter Dueck von der IBM beschreibt: Das Internet wird zum Betriebssystem der Gesellschaft, auf dem alle Anwendungen aufsetzen müssen.

Freitag, 15. April 2011

Keiner versteht mich

„Zumindest der junge Leser versteht das Konzept des grauhaarigen Wuschelkopfs mit Chucks oft nicht ganz und fragt sich, was es mit dem Namen NiceBastard und den betitelten Mädchen nun eigentlich genau auf sich hat.“ 
Mercedes Lauenstein im Rahmen ihres Porträts Münchner Blogger in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 14. April 2011

Dienstag, 11. Januar 2011

Der, die, das – Unauthorisiertes von der Frankfurter Allgemeinen?

Seitdem ich mich mit Blogs beschäftige, was nicht sonderlich lang ist, gerade mal vier Jahre, seitdem ich mich jedenfalls mit der Blogosphäre befasse, verfolgt mich der vehemente Streit, ob es nun der Blog oder das Blog heiße. (Die arg kleine Fraktion der Anhänger eines weiblichen Artikels, auch als Spaßguerilla bekannt, vernachlässige ich hier einmal.) Und selbst als ich – im Juli 2006? – exklusiv melden konnte, daß die „Duden“-Redaktion in ihren salomonischen Unergründlichkeit beide Möglichkeiten zuließ, wollte der Streit nicht wirklich abebben. Ganz im Gegenteil. Burdas oberster Blogwart Heiko Hebig blökt unverdrossen, wenn auch inzwischen zeitgemäß via Twitter, immer „DAS Blog“, wenn ein anderer Gegenteiliges behauptet.
Nun präsentiert die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ anläßlich des Erscheinens des Erinnerungsbüchleins „Modestrecke – Unterwegs mit Les Mads“ ein Interview mit der für Burda bloggenden Jessica Weiß. „Die Fragen stellte Anke Schipp. Doch wer formulierte die Antworten? Denn niemand von Heiko Hebigs Schützlingen würde doch zu behaupten wagen, „der Blog war am Anfang eher ein Tagebuch für Freunde und Bekannte“. DER Blog? Weiß dementierte flugs, jemals den männlichen Artikel gebraucht zu haben: „Das Blog ist Pflicht - da hat die Autorin wohl mit interpretiert :)“. Hebig wies auf das Impressum des Büchleins hin: „Das Blog Lesmads.de wird herausgegeben von Hubert Burda Media“ („herausgegeben“?). Und so harre ich einer Antwort der sonst überaus seriösen „Frankfurter Allgemeinen“, ob da Schipp eigenmächtig Hand angelegt hat – oder die Schlußredaktion?
Update: Anke Schipp nimmt es auf ihre Kappe, daß sie beim Abtippen und Bearbeiten des Interviews „vermutlich“ den Artikel geändert hat. „Allerdings hat Jessica Weiss die Version, die in der Zeitung stand, autorisiert, sie hat es offenbar dann leider auch übersehen.“

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Heiko – Allein zu Haus? Marc Scheloske verläßt ScienceBlogs

Ulrich Hegge (Media Innovation Lab), Jochen Wegner (Focus Online), Julia Knolle (Les Mads)... – der brain drain bei Burdas Onlinern ist nicht zu übersehen, und während man rätselt, wann Heiko Hebig geht, meldet sich nun Marc Scheloske ab, Macher des deutschen Ablegers der amerikanischen Wissenschafts-Community ScienceBlogs, die Burda adaptiert und inzwischen bei Glam Deutschland geparkt hat.
Scheloske, der dank seiner eigenen Wissenswerkstatt die bei Konzernen rar gesäte street credibility besitzt, betreute nicht nur Burdas Wissenschaftlernetzwerk redaktionell, sondern vertrat das Haus auch souverän nach außen, ob letztes Jahr auf Einladung des Bayerischen Journalisten-Verbands im Clinch mit Don Alphonso oder neulich in Berlin beim Historikertag.
Offiziell ist Scheloske bereits im Resturlaub, betreut aber noch bis kommende Woche vorläufig weiter das Wissenschaftsnetzwerk, bevor es anschließend zu einem längeren Trip mit der Sprachspielerin  down under geht.

Updates:

Scheloskes offizieller Abschiedsgruß und Staffelübergabe an Fabian Soethof und Jürgen Schönstein.

Am 3. Juni 2011 meldet Condé Nast die Verpflichtung Julia Knolles, die als Editor-at-large die „Weiterentwicklung der Content-Strategie für die digitalen Produkte betreuen und sämtliche Social-Media-Aktivitäten koordinieren“ soll. „Julia Knolle bildet künftig gemeinsam mit den Redaktionsleitern Doris Huber und Krischan Lehmann das redaktionelle Leitungsteam von Condé Nast Digital. Sie wird zudem einen eigenen Blog auf VOGUE.de eröffnen.“

Am 10. Juli 2011 gibt denn auch Heiko Hebig seinen Abschied von Burda via Google+ bekannt. „I have decided to leave Hubert Burda Media's iLab where I have worked as Head of R&D and move on to a new challenge. Last week I have communicated this decision to my team, today I share this information with the rest of you.

I will not leave immediately. There are still a few things that need to get done.
And as of today I don't know what the next step might be. I have a few ideas, there might be new opportunities - and I need some time to figure out what I want to do in the future.“



Am 4. September 2011 meldet der „Tagesspiegel“ den Abgang der zweiten Les-Mads-Gründerin Jessica Weiß, die als „Executive Editor Online“ zu Bernd Runges Magazinprojekt „Interview“ wechselt.

(Foto oben: Don Alphonso, Marc Scheloske, Thomas Mrazek v.l.n.r./Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses)

Samstag, 15. Mai 2010

Bilderklau bei bild.de

Man kann es sich nicht aussuchen, wer über einen berichtet, und bei den old media, vom „Spiegel“ bis zur „Bunten“, ist es auch schon lange Usus, exklusive Bildproduktionen konkurrierender Redaktionen, die man nicht zahlen will oder auch aufgrund eines Embargos für kein Geld kaufen könnte, ins Blatt zu hieven, indem man über ihre Veröffentlichung berichtet und das Bildmotiv so doch – natürlich streng dokumentarisch – ins Heft kriegt. Die Gerichte haben dafür auch schon lange die Spielregeln aufgestellt – eigener Bericht und Bildzitat müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Rechtsgrundlage sind dabei Fragen des Urheberrechts, das Copyright des auf diese Weise zitierten, um nicht zu sagen beklauten Fotografen, und die Nutzungsrechte der ursprünglich veröffentlichenden Redaktion – und weniger die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten.
Daß aber jedermann nicht etwa nur ein Recht am eigenen Bild, sondern selbst als Amateurfotograf ein reguläres Copyright an seinen Bildern hat, wird oft übersehen, wenn die Witwenschüttler und Katastrophenreporter der Boulevardmedien Internetplattformen wie Facebook, Flickr oder studiVZ plündern, um die Berichte von Todesfällen oder Straftaten mit Opfer- oder Täterbildern zu illustrieren. Da sind beileibe nicht nur Persönlichkeitsrechte betroffen.
Für Letzteres scheinen die Mitarbeiter von bild.de sensibilisiert zu sein, denn als sie gestern über den „neuen facebook-Trend“ How to look like your shirt print berichteten, pixelten sie die den Bericht illustrierenden Bilder, soweit dort überhaupt ansatzweise ein Gesicht zu erkennen gewesen wäre.
Und als die Initiatorin dieses Trends, Elisabeth Rank, sich telefonisch darüber beschwerte, daß die BILD-Redaktion, ohne vorher zu fragen, Bilder aus Ranks Facebook-Gruppe kopiert und veröffentlicht hätte, antwortete man ihr erst: Ich hab mir schon gedacht, dass da was kommt. Hm. Naja. Na gut. und weigerte sich aber dann doch, die Bilder offline zu nehmen, „weil angeblich niemand zu erkennen ist. (...) Wenn die akut Betroffenen sich konkret beschweren, sieht das wieder anders aus. – so Lisa in ihren Tweets zum Vorgang.
(Wobei es auffällt, daß die BILD-Redaktion sich auf die no-names der Aktion konzentrierte und Prominentere – und somit vielleicht Klagefreudigere oder zumindest Shitstormigere – wie Sascha LoboHappy Schnitzel, Anke Gröner oder Nilz Bokelberg ausließ. Nur Deef Pirmasens haben sie offenbar übersehen und mit seinem Porno-Motiv online gestellt.)
Dabei geht es hier weniger um Persönlichkeitsrechte, sondern um die Urheberrechte an den Bildern. Denn die BILD-Onliner haben nicht etwa nur ausführlich über einen Trend berichtet und den Beitrag dann mit einem Screenshot dokumentiert, sondern in dürren Worten das Thema gestreift und dazu 15 Bilder geklaut, um sie als Klickstrecke zu präsentieren.
Einige Anrufe und viele Stunden später hatte die Redaktion dann doch ein Einsehen und den Beitrag die Bilder gelöscht, was aber juristisch nichts daran ändert, daß der Springer-Verlag hier fremdes Bildmaterial ohne jegliche Rechtsgrundlage veröffentlicht hat. Selbst wenn es nur wenige Stunden online war, reicht das, um jedem der 15 Fotografen gute Chancen einzuräumen, von Springer nachträglich das übliche Bildhonorar von geschätzten 50 Euro sowie einen mindestens ebenso hohen Strafaufschlag für die nicht genehmigte, auf jeden Urhebervermerk verzichtende Veröffentlichung einzufordern, ja sogar einzuklagen. Zuzüglich etwaiger Anwaltskosten.

Updates: Falls sich bild.de auf das Recht auf Bildzitate herausredet, wäre übrigens gerade da das Pixeln, sprich: Bearbeiten der Bilder unzulässig gewesen.Von der fehlenden Quellenangabe mal ganz zu schweigen.

Der BILDblog zur „Selbstbedienung bei Facebook“

Zu denken, jeder würde sich für die Bild-Zeitung ein Bein ausreißen, ist auch wieder so eine elitäre Sichtweise, die ich nicht unterschreibe. Denn es will sich einfach nicht jeder im Umfeld von Bild sehen oder dort irgendwie auftauchen. Das ist so eine Überzeugungsgeschichte.
Lisa Rank auf jetzt.de zu ihrer Initiative und dem Ärger mit bild.de. 

Freitag, 5. März 2010

And the Oscar goes to...

(Update: Liveblog zur Oscar-Nacht 2015 hier!)

Sonntag wird hier natürlich wieder wie die letzten Jahre live vor dem Fernseher gebloggt. Aber bis dahin stelle ich noch eine Liste aller anderen Live-Blogger und Public Viewings zusammen, die ich interessant finde. Und aktualisiere sie hier laufend.

Bis dahin noch ein kleiner Hinweis, daß Danny Glover und Workers United alle Stars auffordern, bei der Verleihung der Academy Awards nichts von Hugo Boss zu tragen. Das dürfte mir nicht schwer fallen...

Natürlich werde ich auch dazu twittern und mit Beate Wedekind auf Facebook einen Kommentardialog führen.

Live-Blogger:
Public Viewing:
Red Carpet Livestreams
    Oscar Live Stream
    Update: Heuer stehen weit weniger Übertragungen des Pro-Sieben-Fernsehsignals in Kinos, Mensen u.a. an als die Jahre zuvor. (Während es in Österreich mit der ORF-1-Übertragung offenbar weniger Probleme gibt.) Eine frühere gemeinsame Marketingaktion des Senders mit der Cinemaxx-Gruppe wird offenbar nicht wiederholt.
    Um das Cineplex Münster zu zitieren: „Leider hat sich die rechtliche Situation zur Übertragung der Oscarnacht geändert und wir sind nach momentanem Stand der Dinge nicht in der Lage diese schöne Tradition fortzuführen. (...) Pro Sieben kann wohl die Rechte an der Übertragung nicht mehr vermarkten. Im letzten Jahr war die Situation auch schon problematisch und eine Genehmigung ging erst wenige Tage vor der Verleihung bei uns ein, so dass wir da schon nicht mehr in der Lage waren das Event aufzuziehen. Angesichts der Sachlage in diesem Jahr wird das Ganze noch unwahrscheinlicher, da wir keine Verletzung von Lizenzbestimmungen in Kauf nehmen können und wollen.“
    Eine Rückfrage bei Pro Sieben ergab, daß der Sender Übertragungen der Oscar-Nacht in Kinos oder sonstigen Public Viewings, ausgenommen einer Marketing-Kooperation mit der Cinemaxx-Gruppe, nie unterstützt hätte, da man dafür gar nicht die erforderlichen Rechte besäße.

    (Foto: Niall McCarthy / ©A.M.P.A.S.)

    Samstag, 13. Februar 2010

    CityDeal kauft Blogger

    „Deine Stadt zum halben Preis“ wirbt die Schnäppchenplattform CityDeal – und mein Blog für 50 Euro? Letzte Woche mailte mich Jens Kostulski an, um mich auf eine Gutscheinaktion des Berliner Start-ups hinzuweisen, bei der tausend Gutscheine für Starbucks angeboten werden würden, die fünf Euro wert seien, aber den Besteller nur drei Euro kosten.
    Nun ist Kostulski nicht etwa Pressesprecher bei CityDeal, sondern vom Marketing, weshalb seine Nachricht ein unzüchtiges Angebot enthielt: Wenn ich über die Aktion berichte, würde man mich mit 50 Euro dafür honorieren.
    Zufälligerweise (?) berichteten zur gleichen Zeit unter anderem Eva Pilareks Genuss-Blog, der Kaffee-Blog Coffee-Culture und viele Schnäppchen-Blogs über ein Angebot der CityDealer, Starbucks-Gutscheine im Wert von 10 respektive 5 Euro für 5 respektive 3 Euro zu erwerben. Alle gut geschmiert?

    Update: Laut Gründerszene soll das von dem Samwer-Brüdern gegründete Startup „einfach zum Normalpreis Gutscheine von Starbucks gekauft und viel billiger weiterverkauft haben – ohne, dass ein Deal mit Starbucks bestand. Die Kaffeekette reagierte entsprechend ungehalten, wurde doch auch intensiv mit dem Starbucks-Logo für die Plattform geworben, was schnell den Eindruck über das Bestehen einer Kooperation erwecken konnte. Bei Starbucks wollte man die Gutscheine daher nicht akzeptieren, was dazu führte, dass CityDeal die entsprechenden Gutscheine zum Teil sogar bar auszahlte.“

    Montag, 8. Februar 2010

    Deef: „Rechercheleistung“ oder Zufallsfund?

    „Eigentlich heißt es ja immer, dass das Netz nicht recherchieren kann, aber in diesem Fall beruhen alle heutigen qualitäts-journalistischen Artikel (siehe unten, FAZ und Welt) auf einem Eintrag von Deef Pirmasens' Blogs Gefühlskonserve.“ (Thierry Chervel, Perlen-taucher)
    Knapp vorbei ist auch daneben. Natürlich ist Deefs Blogeintrag zu Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ eine Leistung, aber mit Sicherheit keine Rechercheleistung. Am 3. September trug Deef im Rahmen seiner multimedialen Lesung aus Airens „Strobo“ vor und war dementsprechend gut mit dem Text vertraut. Insofern kein Wunder, daß ihm gewisse Passagen bekannt vorkamen, als er Hegemanns Werk las. Ob er „Axolotl“ nun zufällig las oder – von dem Presseecho aufmerksam gemacht – tatsächlich wissen wollte, wie eine Minderjährige „so glaubhaft“ über seinen Lieblingsclub, den Berghain, schreiben konnte.
    Eine Rechercheleistung wäre es gewesen, wenn Deef tatsächlich umfassend „eine Liste von Zitaten und Motiven“ recherchiert hätte, „die Helene Hegemann in #AxolotlRoadkill plagiiert hat“ (Zitat: Deef Pirmasens). Also das Buch Seite für Seite durcharbeitet und mögliche weitere Quellen geprüft hätte, wie sie Hegemann jetzt auch gegenüber dem „BuchMarkt“ nennt: „Maurice Blanchot, Kathy Acker, Pascal Laugier, Jonas Weber Herrera und alle meine Freunde“.
    So bleibt es ein Zufallsfund, recht aggressiv, um nicht zu sagen spammäßig von ihm gepusht, was gar nicht nötig gewesen wäre, da so eine Glanzleistung sich von alleine durchgesetzt hätte. Und durch Deefs gewählten Titel „Alles nur geklaut?“ auch recht angreifbar.
    Also keine Rechercheleistung, aber deswegen nicht minder bedeutsam, denn Deef Pirmasens hat sich als erster getraut, auf den Makel hinzuweisen, und vor allem bewiesen, wie Blogeinträge aus der zweiten oder gar dritten Reihe Nachrichten setzen können. Dafür gebührt ihm aller Dank.
    Auch wenn ich persönlich hoffe, daß daraus jetzt keine Hetzjagd auf eine 17-Jährige erwächst, sondern eine Diskussion über Literatur und dem Umgang mit Texten.

    Updates:

    „Die Quellenangabe ist für mich ein ästhetisches Problem, wobei ich aber aus ethischen Gründen glaube, dass sie trotzdem richtig ist – das versäumt zu haben, hat also mit reiner Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zu tun und mit uneingestandenem Narzissmus.“
    Helene Hegemann im Interview mit der „Welt“

    „Es ist eine Art moderne Beatliteratur, es geht um Sex, Drogen, Traurigkeit und das Chaos des Lebens. Besonders die Beziehung der Protagonistin zu ihrer toten Mutter und die vorkommenden Verlustgefühle beschreibt sie mit starken Worten und wundervoll böse.“
    Deef auf sueddeutsche.de über „Axolotl“

    „Ich habe unterschiedliche Elemente aus unterschiedlichsten Quellen aufgeschnappt und einfach große Lust gehabt, daraus eine frei erfundene Geschichte zusammenzusetzen – die natürlich auch meine eigenen Hintergründe behandelt und sich an Fragen abarbeitet, die ich mir selber stelle. Das alles dann aufzuschreiben, hat total Spaß gemacht, weil man beim Schreiben Erfahrungen macht, ohne irgendwann die Konsequenzen dafür tragen zu müssen.“
    Helene Hegemann in der Verlagsvorschau Frühjahr 2010 des Ullstein-Verlags (pdf)

    „Natürlich habe ich das Buch unterschätzt. Vielleicht war ich ungerecht, weil ich kurz vorher 'Naked Lunch' noch einmal gelesen hatte und mir viele Motive deshalb so epigonal erschienen. Kein Zweifel, das Talent der jungen Autorin ist außerordentlich. Vor allem die Lakonie und Komik der Dialoge können beeindrucken, das lässige Hinwerfen filmisch prägnanter Szenen. Die Versiertheit, mit der die Siebzehnjährige die um 1960 von Burroughs eingeführte Cut-up-Methode praktiziert.“
    Wolfgang Schneider im boersenblatt.net

    „Helene Hegemann, der neue Shootingstar der Literatur, hat abgeschrieben. Na und? Das haben schon ganz andere vor ihr getan. Die Plagiatsdebatte um ihren Roman 'Axolotl Roadkill' ist naiv: Publikum und Kritiker wollen hinter die Errungenschaften der Moderne zurück.“
    Daniel Haas auf Spiegel online

    „Dass sich Helene Hegemann bei Airen (sowie bei Salinger, Kerouac, Rolf Dieter Brinkmann, Rimbaud und anderen poètes maudits) bedient hat, ist klar. Interessant ist, was sie aus dem Gefundenen und Gelesenen macht. Denn die siebzehnjährige Dichterin ist zwar an Jahren jung, aber in professioneller Hinsicht eine Veteranin. Sie steht am Ende einer langen Tradition des Jungseins in der Literatur. Und sie bedient sich aus dieser Tradition, wo sie nur kann. Sie zapft fremde Erfahrungen an, sie sammelt und exzerpiert, sie durchforscht das Internet nach Texten zu ihrem Thema. Sie zitiert sogar, wenn es ihr passt, den Kirchenvater Eusebius von Cäsarea: 'Wehe dem, der die Hölle jetzt für lächerlich hält und die Hölle erst an sich selbst erfahren muss, ehe er an sie glaubt.' Das Einzige, was die kluge Dichterin Hegemann versäumt hat, ist der Nachweis der Quellen, aus denen ihre Selbsterfahrungsprosa strömt.“
    Andreas Kilb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“

    „Ich habe ihren Roman gelesen, es ist genau die Art von Buch, die ich gern lese, aber es wäre auch ohne meine Stellen cool gewesen. (...) Helene Hegemann hat mir nichts getan, sie hat mich nicht angegriffen. Mir fehlt nichts, die Geschichte ist immer noch meine. Dass es jetzt durch diesen Skandal hochkommt, empfinde ich als unangenehm, aber es ist natürlich auch Publicity, ein Bonus, den ich sonst nie gehabt hätte. Ein Opfer? Was die Urheberrechtsverletzung angeht: ja. Helene Hegemann hat sich auf eine ungerechte Art und Weise bereichert, wie es viele Menschen jeden Tag tun, aber nicht auf meine Kosten.“

    Airen im „F.A.Z.“-Interview

    „Ein Star muss wissen, was cool ist, und dies darstellen und verkörpern können. Und es gehört Rücksichtslosigkeit dazu. Der Star benutzt die ganze Welt als Ressource, nimmt sich mit dem selbstverständlichen Recht des Halbgottes das, was er oder sie glaubt, ihm zustehe.“
    Tobias Rapp im „Spiegel“

    Und wann präsentiert der „Stern“ auf seiner Titelseite zwanzig prominente Schriftsteller mit der Headline: Wir haben abgeschrieben!

    Sonntag, 19. Juli 2009

    Social Media als Filter für Dummes aus Fernsehen und Zeitungen

    „Wired“-Chefredakteur und Buchautor („The long tail“, „Free“) Chris Anderson auf vier Seiten im „Spiegel“ morgen über die Torhüterfunktion des Web und neue Geschäftsmodelle im Internet.

    „Die Begriff Nachrichten und Medien sagen mir nichts. All diese Wörter haben doch längst ihre Bedeutung verloren. Sie definierten das Verlagsgeschäft im 20. Jahrhundert. Heute sind sie nur eine Bürde. Sie stehen uns im Weg wie eine Kutsche ohne Pferde.“

    „Mehr und mehr Leute benutzen für ihren Nachrichtenkonsum soziale statt professionelle Filter. Wir drosseln einfach den Informationsstrom aus Fernsehen und Zeitungen. Dummes, überflüssiges Zeug erreicht mich erst gar nicht.“

    „Was wir Journalisten machen, ist immer noch nützlich. Die Arbeit der anderen ist aber genauso nützlich.“

    „Wir haben Einnahmen in Millionenhöhe, und es liegt allein an uns, ob wir profitabel sein wollen oder nicht.“

    „In Zeitungen und Zeitschriften sieht Reklame einfach besser aus. Deshalb zahlen Werbekunden bei wired.com nur 22 Dollar pro tausend dort erreichte Kunden. Im Magazin zahlen sie dagegen für die gleiche Leserzahl 100 Dollar.“

    „Bei 'Wired' haben wir ja sogar versucht, unsere Blogger zu bezahlen – die empfanden schon den Vorschlag als Beleidigung.“

    „Vielleicht ist unser Business nicht mehr das Verkaufen von Anzeigen. Vielleicht geht es um das Bilden von Online-Communities. Möglicherweise verdienen wir mit dem Veranstalten von Events unser Geld.“


    Updates: Steffen Leidel im Deutsche-Welle-Blog lab, b-consequent und der Trierer Medien-Blog dazu.

    Das „Spiegel“-Gespräch mit Chris Anderson („Wired“) über die Zukunft der Medien ist auf englisch online.

    Gruban gehackt



    Selbst Alpha-Größen sind nicht gefeit...

    Montag, 8. Juni 2009

    Mehr Demokratie wagen

    „Man sollte endlich damit aufhören, Gegensätze zu konstruieren, die es nicht gibt - hie Zeitung und klassischer Journalismus, da Blog mit einem angeblich unklassischen Journalismus. Der gute klassische ist kein anderer Journalismus als der gute digitale Journalismus. Die Grundlinien laufen quer durch diese Raster und Cluster: Es gibt guten und schlechten Journalismus, in allen Medien. (...)

    Der Amateur-Journalismus, der in den Blogs Blüten treibt, ist kein Anlass für professionellen Griesgram. Dieser Amateur-Journalismus bietet Chancen für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Er ist ein demokratischer Gewinn. Diese Blogger erinnern an die bürgerlichen Revolutionäre von 1848/49, die Kommunikationsrevolution heute gemahnt an die vor 160 Jahren. (...)

    Blogs sind 'mehr Demokratie'.“


    Aus Heribert Prantls Eröffnungsvortrag bei der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, zitiert nach der „Süddeutschen Zeitung“ von heute (pdf-Download des Vortrags)

    Mittwoch, 20. Mai 2009

    Print: Der beste Weg, als Blogger Geld zu verdienen

    Nächste Woche erscheint „Jetzt ist heute“, Kora Deckers erstes Buch, in dem die Münchner Grafikerin, eine meiner liebsten Kolleginnen in der Medienbranche, von ihrem Brustkrebs berichtet, und wie dieser ihr Leben verändert hat. Ein für sich schon packendes Schicksal, ein aufregendes Buch. Aber ursprünglich eben gerade auch ein Blog, der nun mit Hilfe von Eggers + Landwehr seine Buchform fand (Die Blogtexte machen im Buch etwa die Hälfte des Inhalts aus). Und wer die berüchtigten Berliner Agenten von Betriebsnudeln wie Florian Illies, Benjamin Lebert, Holm Friebe, Sascha Lobo, Wladimir Kaminer und Wolfgang Joop?, ja, Wolfgang Joop kennt, ahnt, daß hier endlich mal ein Blog sich auch materiell gelohnt haben wird.

    Mittwoch, 13. Mai 2009

    Digitale Hybris oder Weichspüler 2.0

    Bei aller Diskussion um die vermeintliche Konkurrenz zwischen Bloggern und Journalisten überkommt mich gelegentlich der Verdacht, daß die digitale Bohème gar nicht die Lohnschreiber ablösen will, sondern die Lohnplärrer vom Rummelplatz. Denn wer, wenn nicht Schausteller, neigen zu diesem selbstverliebten Geprahle, daß immer dann virulent wird, wenn die Bytonauten ihren Internetkosmos verlassen und eine echte Bühne betreten. Ob Roman Libbertz mit seinen Bloggershows („beste Lesung seit 4 Jahren in München“, „Die literarische Zukunft Deutschlands“), Bosch, Sascha Lobo & Mspro mit ihren Twitterlesungen oder Deef, Violette von Rosenweiß und Kapinski mit ihrem Sex, Drogen, Clubbing-Event am 20. Mai („Wer das verpasst, ist entweder tot oder im Knast.“). Stets wird auf den Putz gehauen, als ob es um die Wahl des größten Prahlhans aller Zeiten ginge. Wird ein freundliches Zitat von sueddeutsche.de der „Süddeutschen Zeitung“ zugeordnet, was ein bedeutsamer Unterschied ist. Wird geschwurbelt, als ob mir ein 9live-Busenwunder eine Homeshopping-Kollektion andrehen wollte. Und wenn es von sonst so sympathischen und schlauen Vorzeigewebbern wie diesen kommt, schmerzt es doppelt. Macht weiter, aber bitte nicht, als ob Ihr Waschmittel verkaufen würdet.

    Update: Abstimmen nicht vergessen!

    Dienstag, 5. Mai 2009

    Deef just said no

    Auf Kapinskis Geburtstagsparty neulich sprach mich Deef auf seine geplante „Multimedia-Lesung“ Sex, Drogen, Clubbing an. Ihn interessierte meine Meinung, ob man bei dem Thema mit seinen äußerst „expliziten“ Texten nicht vorab darauf hinweisen müßte, daß Drogen scheiße sind. Ich habe ihm spontan davon abgeraten, aber, hey, wozu gibt es das Web 2.0. Also was denkt Ihr darüber?

    Update: Wer auf Deefs Reizwort „Knebel-Sex“ hereinfiel und jetzt enttäuscht ist: Hier gibt's meine einschlägigen Blogeinträge zum Thema Sex und Toys bzw. Dessous.