Dienstag, 28. September 2010

Störfall Liebe – „Der alte Affe Angst“ von Oskar Roehler

Manchmal muß man abgrundtief durch den Dreck waten, um Schönheit erkennen zu können. Manchmal muß die Pille bitter schmecken, die uns heilen soll. Manchmal wirkt eine Beziehung wie der blanke Haß. Und wenn in Oskar Roehlers Liebesdrama von der ersten Einstellung an mit Worten kartätscht und Blicken füsiliert worden ist, liegt das Schlimmste noch längst nicht hinter uns.
Der Drehbuchautor und Regisseur erspart seinem Zuschauer nichts: Krebs und AIDS. Koks und Chemotherapie. Suizid- und andere Fluchtreflexe. Und als ob der selbst erfahrene eigene Schmerz nicht ausreichen würde, spiegeln die Menschen auch noch die Verletzungen ihrer Eltern wider. Die Kadenzen des Unglücks schwillen hier zu einem steten Grundrauschen an.
„Der alte Affe Angst“ ist physisches Kino, bei dem man das Parfüm des Betrugs zu riechen meint, den Tod zu fassen, die Angst zu schmecken. Und zwischendurch dann auch das kleine Glück. Denn Robert (André Hennicke) und Marie (Marie Bäumer) lieben sich. Wirklich, vorbehaltlos, intensiv, bis hin zur Selbstverleugnung. In kleinen, unschuldigen, so gut beobachteten wie selten gezeigten Gesten zeigt uns Roehler dieses Urvertrauen, bei dem beide, neugierigen Kindern gleich, sich gegenseitig bespucken, miteinander balancieren, einander zum Würgen bringen und selbst in einem Pups noch Verbundenheit finden.
Viel mehr passiert aber auch nicht mehr zwischen den Bettlaken, denn Robert liebt Marie so sehr, daß er nicht mehr mit ihr schläft, weil all seine früheren Beziehungen in einem ekstatischen halben Jahr verglüht sind. Er war stets ganz der hemmungslose Künstler, der Beziehungen nur als einen Rausch aus Sex und Eifersucht kennt, der jede kreative Arbeit unmöglich macht, aber dann auch schnell wieder verfliegt. Diesmal will der Dramatiker die Liebe bewahren, indem er sie sich aufspart.
Als ob er die Leidenschaft wie eines seiner Bühnenwerke beherrschen und kühl inszenieren könnte, glaubt er, Marie nur dauerhaft begehren zu können, indem er seine Liebe zu ihr nicht verspritzt. Und Marie, die Kinderärztin, reagiert auf Roberts Impotenz mit dem Beziehungsarsenal der aufgeklärten Akademikerin: Rollenspiele, scharfe Wäsche und der gemeinsame Besuch beim Therapeuten (Christoph Waltz).
Den Sex lebt Robert heimlich andernorts aus, mit Prostituierten. Hinter Maries Rücken, die erst durch einen blutigen Zufall davon erfährt. Ein Zwischenfall, den Roehler so fulminant arrangiert, daß der Zuschauer mit seinen Protagonisten ins Bodenlose stürzt und vollends dem Wirbel dieses Berliner Dramas erliegt.
In der Provinz der Elterngeneration ist man keineswegs glücklicher: Roberts Vater Klaus (Vadim Glowna), ein Schriftsteller, der seinen Sohn lange verleugnet hat, zelebriert Familienwerte nur als Romanstoff und will bis zuletzt, ganz Egoist, keine Last tragen und niemandem zur Last fallen. Er arbeitet an einem „Solaris“-Stoff, schreibt von einem „Ozean des Erinnerns, wo nichts stört“. Unfähig diesen Störfall Liebe selbstlos zu akzeptieren.
Maries Eltern, ein Brandenburger Pastorenpaar, strahlen jene vorwurfsvolle Kälte von Gutmenschen aus, die nicht nur Kinder in den Selbstmord treiben kann. Roehlers Geniestreich besteht darin, zu sehen, ohne zu verurteilen, und all diese Fehler und Charakterschwächen hinzunehmen, ja dafür sogar Zuneigung zu entwickeln.
Mutvoll sprunghaft in seinem Erzählfluß, scheinbar unentschlossen zwischen Cinemascope und Videoästhetik wechselnd, sehr persönlich, auch wenn er alles Autobiografische abstreitet, zieht Oskar Roehler uns – wie schon bei „Die Unberührbare“ oder „Suck my dick“ – in eine vor Kälte klirrende Konsumwelt der Beziehungen hinein, nur daß sein Film diesmal, dann natürlich außerhalb Berlins, eine unerwartete Wende zur sommerlichen Pastorale nimmt. Sehenden Auges, im Angesicht allen Leids, aber nicht ohne Hoffnung. Der Winter ist vorbei.

Diese Filmkritik erschien zuerst im „In München“ 9/2003

(Foto: BR/Marco Meenen)

Samstag, 25. September 2010

Wochenplan

Twiesn / Augustiner, Schauspielerempfang der Landeshauptstadt München / Altes Rathaus, Multimediale Kommunikation in internationalen Märkten, Bewegtbild in der Kommunikation / Presseclub, Energy Slam / LMU, Pressevorführung „Von Menschen und Göttern“, Wiesn

„The Social Network“:
„Ich bin Unternehmer“ – „Du bist arbeitslos“


Justin Timberlake als Napster-Gründer Sean Parker in David Finchers „The social network“. Natürlich steht im Film Mark Zuckerberg im Mittelpunkt, ist aber bei weitem nicht so sexy wie Parker. Wobei Fincher („Se7en“, „Fight Club“, „The Game“) Facebook-Gründer Zuckerberg als Citizen Kane des 21. Jahrhunderts feiert, und Facebook selbst – anders als sein Obernerd – so sexy rüberkommt, daß sich jeder Zuschauer gleich nach dem Kino sofort anmelden wird, so er nicht schon längst dabei war.

Sonntag, 19. September 2010

Wochenplan

Wiesn, Social Media Club: „Corporate Transparency" / MOCCAR – Pompidou, Pressevorführung „Vergißmichnicht“, ZDF-Präsentation „100 % Leben“ / Deutsche Journalistenschule, Vernissage Al Taylor / Pinakothek der Moderne, Niederländische Filmreihe: „Duska“ / Gasteig, Vernissage Tobias Madison mit einer Liveperformance der japanischen Taiko-Gruppe Waruko- kai Shou / Kunstverein, Palm / Käferschänke, „Bluebeard's Eighth Wive“ / Filmmuseum, Ballettgala Junghanns / Stadthalle Germering

Samstag, 18. September 2010

Zum 200-Jährigen: Viva Mexiko!

Träge gleiten wir den kandierten Äpfeln entgegen. Von halb links kündigt sich mit blechernen Fanfaren eine Mariachi-Kapelle an, während rechts Blumen- und Spielwarenhändler auf und ab tanzen, bis sich eine kleine Garküche halsbrecherisch zwischen sie drängt und uns fast rammt. Alles fließt. Doch trotz meines Jetlags vom zwölfstündigen Flug nach Mexiko-Stadt halluziniere ich nicht etwa, sondern gondle auf einem bunt geschmückten Boot durch das kilometerlange Kanalgeflecht der Schwimmenden Gärten von Xochimilco. Während auf dem kleinen Kahn ein Picknick aus Hühnchen in schwarzer Schokoladensoße, gerösteten Schweineschwarten und mariniertem Kaktussalat mit frischem Koriander serviert wird, begegnen wir Hunderten von Barken mit Musikern, Händlern und einheimischen Ausflüglern – eine einzige Regatta der Sinnenfreuden.

Das von Indianern angelegt Wasserlabyrinth ist nur ein kleiner Rest des weitläufigen Seengebiets, das die Hauptstadt der Azteken umgab. Heute leben im trockengelegten Hochtal von Mexiko-Stadt 25 bis 30 Millionen Menschen. Auf den ersten Blick ein Wirrwarr aus tristen Vorstädten und überfüllten Schnellstraßen, grauen Häuserblöcken und kalt glitzernden Wolkenkratzern wie mein Hotel „Gran Meliá México Reforma“. Man muß nach Oasen wie den Schwimmenden Gärten schon gezielt suchen. Oder bekommt sie wie ich auf dem Präsentierteller gereicht.

Denn ich habe den Urlaub entspannt angepackt, die Reiseführer liegen lassen und mich auf eine organisierte Studienfahrt ins Reich der Azteken und Maya begeben: Ferien aus der prall gefüllten Wundertüte. Nur die groben Umrisse des Überraschungspaketes ließen sich erahnen: die Stufenpyramiden von Palenque und die Tempelanlagen von Teotihuacán, die Indiodörfer in Chiapas und zum Einstieg eben Mexiko-Stadt.

Wie Mexiko überhaupt aus dem Zusammenprall zwischen Indianern und spanischen Conquistadoren entstanden ist, zeigen Diego Riveras monumentale Fresken im Nationalpalast. Von 1926 bis 1945 hat der Künstler auf 450 Quadratmetern Aztekenherrscher und spanische Eroberer, Machos und Freiheitskämpfer, Maisbauern und Kautschuksammler, Pfaffen und eine indianische Liebesgöttin (mit den Gesichtszügen von seiner Ehefrau Frida Kahlo) in ihren Lebenswelten porträtiert. Ein farbenprächtiges Historienbild, zumal hier und heute auch noch vor dem Palasttor Nachfahren der Azteken in ihren traditionellen Kostümen tanzen, als wären sie eben diesen Wandgemälden entsprungen. Reine Touristenshow? Eher nicht, denn – wie nahezu überall in der Hauptstadt – ausländische Touristen sind rar. Um uns herum lauter Einheimische, die der Folkloregruppe zuschauen, beim Straßenhändler Tortillas aus blauem Mais naschen oder Schlange stehen, um sich von einem Schamanen ihre katholische Seele reinigen zu lassen. Jahrmarktstimmung scheint hier alltäglich zu sein, und wir lassen uns gern von ihr einfangen.

Natürlich ist Mathias, unser Reiseleiter, in Kultur und Geschichte bewandert, aber uns begeistert ebenso, dass er auch Mexikos beste Konditorei kennt. Bis spätabends verkauft die „Pastelería Ideal“ in der Ave. 16 de Septiembre Feingebäck und Kuchen. Die bis zu 90 Kilo schweren, mehrstöckigen Torten sind schon recht unhandlich. Aber ein kleiner Flan mit Früchten ist die perfekte Stärkung, denn wir wollen anschließend im Alameda-Park noch mitfeiern, wenn mehrere Kapellen lautstark um ihr tanzendes Publikum wetteifern.

Zu spät darf es nicht werden, denn am nächsten Morgen geht es in aller Herrgottsfrühe ins Anthropologische Museum, der nationalen Schatzkammer vorkolonialer Kunst. Jade-Mosaiken und Alabasterfiguren, Türkismasken und Perlmuttarbeiten, aus Muscheln geknüpfte Rüstungen und prachtvolle Federkronen, Kalendersteine und Kolossalfiguren zeigen die Vielfalt bekannter indianischer Kulturen wie die der Mixteken, Maya oder Azteken und der bis heute unbekannten wie namenlosen Erbauer der Tempelstadt Teotihuacán. Als wir später 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt auf der über 60 Meter hohen Sonnenpyramide von Teotihuacán stehen und die kilometerweite Monumentalanlage mit ihren Stufenbauten, Tempeln und der Zitadelle überblicken, verstehe ich, dass für die Azteken nur Riesen oder Götter als Baumeister in Frage kamen.

Einige Stämme halten ihre jahrtausendealte Tradition bis jetzt am Leben. Mit dem Flugzeug reisen wir 1000 Kilometer in Mexikos südlichsten Bundesstaat Chiapas, ein Zentrum der Maya-Kultur, wo heute noch zwölf Maya-Sprachen in Gebrauch sind und jedes Dorf seine eigene Tracht pflegt. Einer bunten Auswahl von ihnen begegnen wir bereits auf dem Indiomarkt von San Cristóbal de las Casas. In dem Gewirr der Marktstände reißt unsere zwölfköpfige Reisegruppe rasch auseinander. Ich bleibe bei den kitschigen Votivkerzen hängen, während Ditmar auf der Suche nach der regionalen Kaffeespezialität, dem „Tostador“, verloren geht und Tanja nach der schärfsten Salsa picante als Mitbringsel sucht. Außerhalb des Marktes finden wir uns schnell wieder, da das Städtchen mit seinen einstöckigen Kolonialbauten im maurischen Stil recht überschaubar ist. Mittendrin unser Hotel „Diego de Mazariegos“, das mit seinen Kolonnaden, Brunnen und Patios die schönste Kulisse für einen Zorro-Film böte. Doch wahrscheinlich hätte selbst Antonio Banderas Respekt vor der hauseigenen Cocktailbar, in der Tequila mit Maggi, Wodka, Rum, Weißwein und Bier zusammengemixt wird.

Den starken Mokka, den uns Tomasa, Catalina und Maria am nächsten Morgen servieren, kann ich gut gebrauchen. Wir sind zu Gast im Indiodorf San Lorenzo Zinacantán, wo die drei bei sich zu Hause den traditionellen Hüftwebstuhl vorführen und Ponchos, Taschen und Decken verkaufen. Zwischendurch laden sie uns auf ein paar frisch gebackene Tortillas ein, die wir mit Bohnen, Avocado, Salsa, Würstchen oder Käse füllen. Die von ihnen beim Backen benutzte Maismühle gleicht den im Anthropologischen Museum ausgestellten archäologischen Funden. Doch in Glaubensfragen hat die Maya-Kultur sich scheinbar modernisiert. Statt gefiederter Schlangen und Jaguarköpfen hängt am Hausaltar das Marienbild der Jungfrau von Guadalupe.

„Solange sich meine Schäfchen als katholisch empfinden, sind sie katholisch“, freute sich ein Bischof von San Cristóbal. Ihn störte nicht, dass die Indios ihrem Glauben nicht wirklich abschworen, sondern die Verantwortung für Regen, Fruchtbarkeit oder Ernte einfach katholischen Heiligen übertrugen, aber zugleich Bänke, Altäre und Priester aus den Kirchen entfernten und fortan einen heidnisch-katholischen Kult in Eigenregie betrieben. In der weißen Dorfkirche von Zinacantán finden wir sogar noch alte Tiergottheiten wie Hirsch, Jaguar und Ozelot. Leider ist Fotografieren verboten, und auch bei unserer nächsten Station dürfen wir die Kamera nicht benutzen.

Den Bus lassen wir bereits am Dorfrand stehen. Heute ist San Mateo, kein wichtiger Feiertag, aber in San Juan Chamula, wo ein wahnhaft-religiöser Kult das Leben bestimmt, Grund genug für eine mitreißende Kirmes. So weit das Auge reicht, bieten Indios Leckereien und Grundbedarfsmittel an wie Stockfisch, Zuckerrohr, die süße Zitronenfrucht Lima oder den Cremeapfel Cherimoya, während mit langen Holzknüppeln bewaffnete Dorfpolizisten in schwarzen und weißen Wollumhängen patrouillieren. Durch die überfüllte Hauptstraße schiebt sich eine maskierte Prozession, aus der heraus Feuerwerksraketen abgefeuert werden. Auf dem Kirchplatz trinken sich Männer Mut an, bevor sie unter die mit Böllern bestückte Stierattrappe schlüpfen und zu lautem Gekrache herumtänzeln. Das Geballere soll böse Geister vertreiben. Aus einem ähnlichen Grund hat das Land den weltweit größten Cola-Verbrauch. Cola ist in Mexiko heilig. Ein Zaubertrank, mit dem man die globale Macht des Coca-Cola-Konzerns auf sich übertragen und zugleich schlechte Energie wegrülpsen kann. In einigen Regionen hat sich die Pepsi-Reformation durchsetzen können, doch in Chamula gibt Coke den Ton an.

Deshalb sind Cola-Flaschen im Gottesdienst ebenso wichtig wie das Kerzenmeer und die Hühneropfer, wenn Hunderte von gläubigen Chamulas lautstark mit ihrem himmlischen Schutzpatron schachern. Der Erfolg der Fürbitten lässt sich leicht erkennen: Wirkungsvolle Heiligenfiguren glänzen in Festkleidung, die oft gewechselt wird, und sind vielfach mit Spiegeln behängt, um böse Wünsche auf den zurückfallen zu lassen, der sie äußert. Die Erfolglosen stehen dagegen ungeschmückt in der Ecke und können froh sein, wenn ihnen nicht ein Körperglied abgeschlagen wird. Offenbar hat unsere Reisegruppe den richtigen Heiligen angefleht, denn das angekündigte Unwetter setzt erst ein, als wir das Hochland verlassen, um 200 Kilometer weiter ins tropische Palenque zu fahren. Danke, San Mateo!

Ausgerechnet im Regenwald lacht uns die Sonne wieder zu. Wir sind bereits in der archäologischen Zone von Palenque, doch die Maya-Palastanlage entdecken wir erst, als wir unmittelbar davor stehen, so innig werden die Residenzbauten vom Dschungel umarmt. Die Tempel und Gemächer sind spektakulär gut erhalten: Schwitzbäder und ein Ballspielplatz, fließend Wasser und ausgeklügelte Belüftungsbauten, großzügige Zimmerfluchten und ein kleines Observatorium, prächtige Altäre und Grabmäler – würden wir nicht auch so wohnen wollen, wenn wir Herrscher des Jaguarthrons wären? Ein Deutscher hat das schon mal ausprobiert: Der Forschungsreisende und charmante Hochstapler Johann Friedrich Graf von Waldeck, dessen Zeichnungen Palenque berühmt machten, hat jahrelang in diesen Ruinen gelebt. Statt musealer Stille umgibt uns wie damals der Singsang der Brüllaffen, Zikaden und Grillen. Er hallt in unseren Ohren wider, während wir Fürstin San Kuk mit ihrem Sohn Pakal, Drachen, Göttervögel und viele andere Stuckfiguren, Reliefbilder und Schriftzeichen, die das Leben der Maya anschaulich vorführen, bestaunen. Jetzt erwartet uns leider ein Donnervogel der profanen Art: das Flugzeug Richtung Heimat. 
Dieser Text erschien zuerst in der „freundin“ 10/06 vom 26. April 2006

(Foto:  Martijn Munneke/flickr)

Focus: Burdas böses Spiel mit der Burka

Diese Woche hat mir die Integrationsdebatte erstmals ein wohlwollendes Lächeln abgenötigt: Denn die Vorstellung, daß Frankreich und Belgien Sandalen, graue Socken und Shorts verböten, weil deutsche Touristen damit die Welt verunstalten, wäre zu schön. Nun kann man mich zurecht fragen, was Touristen überhaupt mit der Integrationsdebatte zu tun haben.
Vielleicht hat Wolfram Weimer eine Antwort darauf, denn diese Woche hat der „Focus“ seine Titelgeschichte zu Sarrazin und Multikulti mit einem Bild des israelischen Fotografen Naftali Hilger aufgemacht. Das Foto illustriert Oswald Metzgers Thesen von einer Bringschuld hier lebender Ausländer für Integration („Das Ende von Multikulti“). Und in der Bildunterschrift schreibt die Redaktion: Unterm Schleier Drei Muslimas bummeln durch die Münchner Fußgängerzone und ziehen Blicke auf sich“.
Der Bildbeschreibung kann man kaum widersprechen. Nur was hat das mit der Integrationsdebatte zu tun? Die Original-Caption der Fotoagentur laif ist da ausführlicher: „Deutschland Muenchen am Stachus (Karlsplatz) Gastronomie Strassencafe Aussengastronomie Passantinnen Frauen verschleiert verschleierte Muslima Cafe Strassenszene Glaube Religion Islam Gesellschaft Sommer Europa 2009; QF; (Bildtechnik sRGB 34.48 MByte vorhanden) Geography / Travel Deutschland Bayern München Bavaria Bayern Deutschland Germany Karlsplatz Menschen Muenchen Munich people Stachus Tourismus Touristen“
Touristen! Was wir sehen, ist „Frau Scheich auf Shoppingtour“ („Süddeutsche Zeitung“), sind reiche Urlauber vom Golf, wie sie jeden Sommer die Münchner Maximilianstraße, Fußgängerzone und auch den Arabellapark unmittelbar vor der Haustür der „Focus“-Redaktion bevölkern und Millionen in die Kassen der Stadt spülen.  Hilger ist sich „nicht 100% sicher, aber sagen wir 90%, dass die Damen aus Dubai kommen.“  Wir sehen eine Burberry-Burka*, eine nicht minder kostspielige Designertasche, ein kostspieliges Seidentuch. Und lesen dazu Metzger gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“, „Zuwanderer“, „Sozialtransfers“ und „Sprachverweigerer im Hartz-IV-Bezug“ wettern. Sieht so Weimers Relevanz aus?
Es ist sicherlich kein Zufall, daß das neu gegründete Debattenressort ein paar „Focus“-Seiten weiter statt Fotos lieber eine gezeichnete Optik einsetzt, denn behaupten kann man viel, aber mit Bildern nachhaltig dokumentieren schon weit weniger.

*Update: Von hinten läßt es sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, aber wahrscheinlich handelt es sich nicht um Burkas, sondern um eine weniger vollständige Verschleierung.

Freitag, 17. September 2010

Sabine Nedelchev: Abendland statt kulturloser Russen, Chinesen und Inder

Wer bitteschön liest schon die „Elle Decoration“? Insofern sei es mir verziehen, daß die letzte Ausgabe von August/ September ewig auf meinem Coffeetable herumlag und ich vor lauter Darüberhinwegblättern erst jetzt das Editorial der Chefredakteurin Sabine Nedelchev tatsächlich auch wahrnahm.
„Machen Sie den Kopf frei“, „Draußen ist das neue Drinnen“, dieses Geschwurbel muß man ja auch nicht unbedingt sofort lesen, wenn überhaupt, und dennoch bin ich froh, hier zeitlos zu bloggen und nicht tagesaktuell Mediennachrichten liefern zu müssen, denn so kann ich doch noch ganz ohne schlechtes Gewissen nachreichen, wie Nedelchev in eben diesem Editorial sich als Sarrazin unter den Glossy-Macherinnen aufspielt:
„In den Staaten der Alten Welt nämlich (ja, das sind wir, und das ist viel schöner, als es klingt), wo Fortschritt, Wohlstand und Hochkultur schon seit Jahrhunderten blühen, sind die Menschen nicht mehr hungrig nach dem schnellen, demonstrativen Luxus. Im Gegensatz zu unseren Mitmenschen in Russland, China oder Indien.“
Das wird man wohl mal sagen dürfen, so mit freiem Kopf. Immerhin ein netter Zug, daß die Burda-Repräsentantin den Indern, Russen und Chinesen selbst ohne Hochkultur zugesteht, „Mitmenschen“ zu sein. Man ist in diesen Zeiten schon für so wenig dankbar.

Literatur in ihren eigenen Worten (2):
„Strohfeuer“ von Sascha Lobo

„Nicht schlecht, aber scheiße.“ (Seite 107)

Sascha Lobo: „Strohfeuer“, Rowohlt Berlin

Donnerstag, 16. September 2010

Sind für BUNTE jetzt alle Blondinen gleich?

„DONNAwetter“ dichtet die „Bunte“ in ihrer neuen Ausgabe auf Seite 23  zur nebenstehenden Titelabbildung der gestern erschienenen „freundin DONNA“, „wir entdecken darin ein erotisch bebildertes Gespräch mit Schauspielerin Jutta Speidel, 56 (l. auf dem Titel)“. Nur sieht das Covermodel nun wirklich nicht nach Jutta Speidel aus, und ein Blick in die Titelcredits bestätigt es: Laurence Vanhaeverbeke heißt die Schöne.
Nicht weniger schön ist die Interviewstrecke mit der Speidel im Heft, aber offenbar hat da die „Bunte“-Redaktion wieder einmal etwas durcheinandergebracht.

Dienstag, 14. September 2010

Fundsachen (13): Bildergruß von der Raumpatrouille

Dietmar Schönherr (als Major Cliff Allister McLane, Kommandant des Schnellen Raumkreuzers Orion) mit Vivi Bach in einer Gastrolle als Ordonanz in der fünften Folge „Kampf um die Sonne“

Dietmar Schönherr und Eva Pflug (Leutnant Tamara Jagellovsk, GSD-Sicherheitsoffizier)

Claus Holm (Leutnant Hasso Sigbjörnson), Wolfgang Völz (Leutnant Mario de Monti), Dietmar Schönherr und Eva Pflug

Margot Trooger (Sie, Regentin auf Chroma) mit Dietmar Schönherr

Erste Reihe u.a. Claus Holm, Wolfgang Völz, Dietmar Schönherr und Benno Sterzenbach (General Wamsler), zweite Reihe u.a. Ursula Lillig (Leutnant Helga Legrelle), Friedrich Georg Beckhaus (Atan Shubashi) und Eva Pflug.


Mittelformat-Farbdias von „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“, 1965/66. Vermutlich stammen die Bilder vom Standfotografen der Bavaria, Lars Looschen.

Updates: Josef Hilger vom Orion Museum hat mich darauf hingewiesen, daß bis auf das erste Motiv alle anderen spiegelverkehrt seien. Werde das bei Gelegenheit korrigieren.
Okay, Bilder sind gespiegelt.

Montag, 13. September 2010

Who killed advertising?

In Sascha Lobos am Freitag erscheinendem, zur Jahrtausendwende spielendem Romandebüt „Strohfeuer“ glimmt sie noch nach, aber in den achtziger, frühen neunziger Jahren war die Welt der Werbeagenturen noch der Feuerball, um den wir kreisten und der uns wärmte.
Jeder Kreative, den ich kannte, wollte Werber werden oder sich zumindest – mit aller gebührenden Verachtung – von deren Geldern alimentieren lassen. Die besten Partys, die großzügigsten Macker, die schönsten Frauen gab es in der Agenturlandschaft. Werbespots prägten die Filmästhetik und die jährliche „Cannes-Rolle“ mit den weltweit besten Clips lief vor ausverkauften Reihen in den Programmkinos, PROGRAMMKINOS!
Doch irgendwann waren der Koksstaub verweht, Beigbeders Nachruf geschrieben und die klügsten und kreativsten Vortänzer insolvent oder aber rechtzeitig ins Callgirl-Milieu oder die Welt der Lohas gewechselt. Die Party ist längst vorbei.
Werber setzen höchstens noch als Fernsehserienfiguren der „Mad Men“ ästhetische Maßstäbe. Kaum jemand würde im Kino Eintritt zahlen, um einen coolen mexikanischen Werbespot zu sehen, steht der doch längst kostenlos online. Welcher ernstzunehmende Künstler würde auch nur daran denken, sich gegen Gelder aus Pharma- oder Zigarettenetats zu prostituieren? Und wenn Werbung heute noch – meist viral – Aufsehen erregt, dann reicht es vielleicht gerade mal für ein Schmunzeln und 140 Zeichen Aufmerksamkeit, aber auch nicht mehr für mehr.
Es ist natürlich purer Zufall, aber nicht ohne Witz, daß die Nacht der Löwen, bei der die besten Werbefilme, Kampagnen und deutschen Teilnehmer des Werbefestivals von Cannes gefeiert werden, ihre Deutschland-Tour ausgerechnet heute abend in München startet, wenn zeitgleich „The social network“, der Schlüsselfilm über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der Münchner Presse vorgeführt wird. Wer mitreden will, wird sich da kaum für die Löwen entscheiden.

Samstag, 11. September 2010

Wochenplan

Nacht der Löwen / Reithalle, Pressevorführungen „The social network“, „The town“, „Twelve“ und „Somewhere“, PK „Mondrian und De Stijl“ / E.ON und „Zukunft der Tradition“ / Haus der Kunst, UEFA Trophy Tour Village / Marienhof, Wahrheit und Lüge in Theresienstadt – Filme des Ghettos aus den Jahren 1942 und 1944/45 / Filmmuseum, Vernissage Volker Derlath / SPD-Bürgerbüro Stupfstraße, Salzburger Medientag: „Augmented Reality - Digitale Medien und Realität verschmelzen“, Wiesn

Freitag, 10. September 2010

The Hof-Flohmarkt Resurrection

Nach dem schönen Start in der Schellingstraße bin ich morgen mit meinen Bücherkisten, ein paar CDs und einigen Staubfängern in Sendling dabei: Lipowskystraße 30, so von 10 bis 16 Uhr (pdf-Download des Stadtplans aller teilnehmenden Grundstücke).

Samstag, 4. September 2010

Wochenplan

Nadaville-Lesung: „Dem Schorsch seine Kneipe“ / Puerto Giesing, Fashion Stories @ baSH Club Day, Eckhart Schmidts Vernissage „Hollywoodland“ mit Christine Kaufmann / Oriol Gallery, BuchSW-Stammtisch / Lovely Books Gartenhaus, „Digitale Evolution – Herausforderungen für das Informations- und Medienrecht“ / Künstlerhaus, Rumänische Kulturtage, Vernissage Brian Ulrich / Galerie f5,6, Pressevorführungen „Lebanon“, „Vampires suck“, „Carlos“, „Die etwas anderen Cops“, „In ihren Augen“ und „Piranha 3D“, Hof-Flohmärkte Sendling (pdf-Download des Stadtteilpans mit den teilnehmenden Häusern), Premiere „FUNtastisch“ /GOP., Metzgersprung / Marienplatz & Viktualienmarkt

Freitag, 3. September 2010

Sonntag, 22. August 2010

Bodycount bei Focus (Update)

Falls ich das Unwort des Jahres zu küren hätte, fiele meine Wahl auf Minder- oder Nichtleister, ein Begriff der mir völlig unbekannt war, bis ich ihn heuer immer öfter vernahm, vor allem da, wo Verlagsleiter und Chefredakteure ihre Köpfe zusammensteckten.
Ich weiß nicht, worüber ich mich mehr aufregen könnte: Die Reduzierung von Mitarbeitern auf individuell wie scheinbar objektiv meßbare Leistung? Die Illusion, journalistische Arbeit überhaupt mit einem Leistungsbegriff messen zu wollen? Oder die Unverschämtheit vieler leitender Manager, in ihren Häuser bis zu einem Drittel und mehr Nichtleister zu wähnen?
Natürlich gibt es fähigere und unfähigere Redakteure. Selbstverständlich gibt es auch immer wieder gute Gründe, sich von jemandem zu trennen. Der dann aber, oh Wunder, durchaus in einer anderen Redaktion plötzlich – ohne jede Hirn- oder Herztransplantation – aufblühen kann. Denn Redaktionen sind ein lebendiger Organismus, bei denen jeder unterschiedlichste Aufgaben erfüllt, und die Leistung im Miteinander entsteht oder eben verhindert wird. Die Chemie muß stimmen.
Machte man ein nur aus Edelfedern bestehendes Magazin auf, flöge einem der Laden noch im ersten Monat um die Ohren. Manche schreiben gut, andere schnell, es gibt Recherchegenies und Leute, die nur unter Druck gut sind – oder eben da nicht. Ich habe Manuskripte renommierter Preisträger gelesen, die sahen aus, als ob sie ein Legastheniker unterwegs in der U-Bahn hingeschmiert hätte. Manche zeichnen sich durch Loyalität aus, andere sorgen fürs richtige Betriebklima. Aber keiner funktioniert wie ein Zahnrädchen und bringt immer volle Leistung. Dazu sind wir einfach zu menschlich – und Blattmacher eben auch auf ihre Art Künstler.
Die natürlich auch finanziert sein wollen, und wer mal das Jubiläumsposter mit den Headshots aller „Focus“-Redakteure in der Arabellastraße gesehen hat und zugleich die immer dünner werdenden Verkaufszahlen und Anzeigenumfänge, der ahnte, daß sich da eine immer größer werdende Schere auftat. Die Redaktion hatte Übergewicht. Das konnte nur so lange gut gehen, wie der „Erste Journalist“ im Haus fürs Gegengewicht sorgte.
Doch auch im Jahr von Helmut Markworts Abschied verzichtete man auf ein überfälliges Kettensägemassaker und offerierte stattdessen 280 von 320 Mitarbeitern ein Abfindungsangebot, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. „Für Mitarbeiter zwischen 40 und 60 Lebensjahren soll es einen Sockelbetrag von 15.000 Euro geben, alle übrigen Mitarbeiter erhalten 7.500 Euro. Die Betriebszugehörigkeit spielt eine Rolle, sowie ein Multiplikator von 0,75 auf ein Monatsgehalt“, berichtete die „SZ“.
Summa summarum wohl bis zu 100.000 – noch zu versteuernde – Euro für jeden, der bis 31. Juli von sich aus unterschrieb, zuzüglich einer „Turbo-Prämie“ von 3,5 Monatsgehältern für alle, die bis zum 30. Juni zuschlugen. Thomas Knüwer ist meines Wissens der einzige Kollege, der das für „großzügig“ hält. „Focus“-Betriebsratsvorsitzende Gisela Haberer-Faye wertete das Angebot gegenüber dem „BJVreport“ zurückhaltender: „Es ist kein goldener Handschlag, aber auch kein Fußtritt. Es ist okay.“
Oder um den „Focus“ zu zitieren: „Da die Summen aber in aller Regel nicht für ein sorgenfreies Leben ohne Arbeit ausreichen, müssen Arbeitnehmer sehr genau kalkulieren, ob die Annahme der Abfindung den Verlust des Arbeitsplatzes aufwiegt. So sind Abfindungen in jedem Fall steuerpflichtig. Zudem drohen Sperren beim Arbeitslosengeld. Wer nicht nahtlos zu einem anderen Arbeitgeber wechseln kann, muss einen Teil seiner Abfindung bereits für den Lebensunterhalt während der Arbeitslosigkeit einplanen.“
Niemanden außerhalb der Geschäfts- und Redaktionsleitung dürfte aber überrascht haben, daß keinesfalls die Underdogs nach diesem Knochen schnappten, sondern gerade Entscheidertypen zuschlugen, eben die Mitarbeiter, die genug Selbstbewußtsein, Energie und Perspektiven besitzen, um das Handgeld mitzunehmen.  
„Ich frage mich, ob es jetzt für oder nicht doch eher gegen mich spricht, daß ich bleibe“, hört man dann schon im Redaktionsflur. Wer nun tatsächlich das Haus verläßt, wird von den Burda-Schwurblern nicht kommuniziert, und bislang sind auch nur wenige Namen durchgesickert. Also versuche ich mich mal als Kreml-Astrologe.
Wer den morgen erscheinenden „Focus“ 34/10 auf Seite 70 aufschlägt, wird feststellen, daß eine ganze Reihe altbekannter Namen im Impressum fehlen, wie etwa Carolin Rottländer, die für die Markenkommunikation verantwortlich zeichnete. Ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich die aus dem Impressum Getilgten für Abgänger halte.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Quellen verlassen offenbar folgende 24 29 Mitarbeiter die „Focus“-Gruppe, wobei ich für Korrekturen und Ergänzungen dankbar bin. Schließlich sollen es insgesamt 60 sein. Die Liste wird laufend aktualisiert.
  1. Wolfgang Bauer, Reportage/Brennpunkt (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  2. Bettina Bäumlisberger, Deutsche Politik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  3. Katja Nele Bode-Mylonas, Modernes Leben (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  4. Barbara Esser, Deutschland-Ressort (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  5. Frank Gerbert, Modernes Leben (fehlt im Impressum vom 23. August 2010,  „werben & verkaufen“) )
  6. Ulf Hannemann,  Forschung & Technik/Medizin (update; UlfHannemann.com)
  7. Udo Herzog, Bildtechnik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010) 
  8. Michael Hilbig, Redaktionsleiter Focus Bayern (update; Quelle: „werben & verkaufen“)
  9. Kerstin Holzer, Modernes Leben (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  10. Claudia Jacobs, stellvertretende Chefredakteurin „Focus Schule“ – obwohl das Abfindungsangebot laut „Horizont“  gar nicht für „Focus Schule“ galt (Quelle: „text intern“)
  11. Andrea Kaufmann, Dokumentation/Schlußredaktion (fehlt im Impressum vom 23. August 2010) 
  12. Martin Kunz, Ressortleitung Forschung & Technik (update; Quelle: „werben & verkaufen“)
  13. Björn Maier, Titelgrafik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010) 
  14. Uli Martin, Leiter Medienressort (Quelle: „Hamburger Abendblatt“)
  15. Caroline Mascher, Auslandsressort (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)  
  16. Stefanie Menzel, Focus-Daten (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  17. Herbert Reinke-Nobbe, Deutschland-Ressort (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  18. Carolin Rottländer, Leiterin Markenkommunikation (fehlt im Impressum vom 23. August 2010) 
  19. Marika Schärtl, Modernes Leben (update; Quelle: „werben & verkaufen“)
  20. Tina Schettler, Grafik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  21. Rainer Schmitz, Kultur/Wissenschaft (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  22. Eric Schütz, Chef der Grafik und Atelierleiter (update; Quelle: „werben & verkaufen“)
  23. Werner Siefer, Forschung & Technik/Medizin (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  24. Christoph Sieverding, Leiter der Info-Grafik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  25. Christian Sturm, Deutschland-Ressort (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  26. Cornelia Tiller, Pressesprecherin (laut „Kontakter“ via turi2 und Pressemitteilung)
  27. Claudia Voltz, Marketing Managerin Bildung (Quelle: Kress)
  28. Andreas Wenderoth, Reportage/Brennpunkt (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
  29. Thomas Wiegold, Parlamentsredaktion (Quelle: Indiskretion Ehrensache)
  30. Sandra Zistl, Deutsche Politik (fehlt im Impressum vom 23. August 2010)
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Samstag, 21. August 2010

Montag, 16. August 2010

Abgestanden wie ein Noagerl: Klaus Lemkes „Schmutziger Süden“

Mitternacht. Die Zeit, zu der die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gemeinhin Lemkes aktuelleres Filmwerk ausstrahlen. Da versendet sich so einiges gefahrlos. Andere sitzen um diese Stunde gern im Schumann's. Wie SZ-Redakteur Alexander Gorkow. Man kann ihn dann leicht angetrunken erleben und schwer auf seinen Arbeitgeber schimpfend. Das würde erklären, wieso er auf Seite Drei der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24. Juli vorbehaltlos Lemke als „genialen und unterschätzten Filmemacher“ preist und sehr detailliert nur dessen Frühwerk wie „Brandstifter“,  „48 Stunden bis Acapulco“ oder „Rocker“ zitiert, den filmmusealen Kanon, der nichts von seiner Kraft verloren hat. Aber eben auch Jahrzehnte alt ist.
Vielleicht kennt Gorkow die neueren Filme überhaupt nicht, die Lemke in diesem Jahrhundert gedreht hat. Laufen ja gegen Mitternacht im Fernsehen – wenn überhaupt. Vielleicht schweigt er auch nur aus Respekt. Mit Sicherheit beneiden Gorkow und Koautor Tobias Kniebe, beides angestellte leitende Redakteure in Sibirisch-Steinhausen, den sympathisch verwahrlosten Regieveteranen: „Klaus Lemke ist der freieste Mensch, den man treffen kann. In Schwabing. In München. Wo auch immer.“ Da bin ich ganz bei ihnen.
Nur macht das höchstens Lemkes Aussteigervita sympathischer, aber seine hingeschluderten Arbeitsmaßnahmen kaum besser. „Schmutziger Süden“ etwa bietet den typischen Mix der letzten zehn Jahre: Unbeholfene Laiendarsteller, wirre Handlungen, ungeschliffene Dialoge, Brutaloschnitte sowie überraschend prüde Altherrenfantasien von vielen Mädchen, die ein und demselben Mann verfallen – wobei Lemke weit weniger Sex zeigt als etwa die Stunden früher ausgestrahlten ZDF-Sommernachtsfantasien, da kann er noch so sehr von Porno fabulieren.
Überhaupt merkt man Lemke die frühe Schwabinger Schule an – er redet viel, man darf ihm wenig glauben. Mal will er Angebote für eine „Tatort“-Regie abgelehnt haben, dann erzählt er wiederum, er würde gern einen drehen, hätte ihn aber noch nicht offeriert bekommen. Festivals interessieren ihn nicht? Wieso reicht er seit Jahren diese Kameraübungen ein und protestiert beim Münchner Filmfest wiederholt mit Mahnwachen dagegen, daß man ihn abgelehnt hätte? „Schmutziger Süden“ liefe auf der Berlinale? Ein Gerücht. Der Bayerische Rundfunk plane eine Serie mit ihm? Wunschdenken. Die Filme kosten fast nichts? Die Musikrechte für Blondie und andere Tracks im „Schmutzigen Süden“ wird er sich kaum mit seinem Standard-Fuffie geleistet haben. Er gewähre nur selten, nicht öfter als zweimal jährlich Interviews? Dann hat er allein schon in den letzten Wochen mit der „SZ“, arte„Welt am Sonntag“, „Abendzeitung, „Tagesspiegel“ oder dem Studentenblatt „Philtrat“ für die nächsten Jahre vorgearbeitet.
Aber so oft wie er sich dort in seinen – auswendig gelernten? – Statements wiederholt, muß man vielleicht nicht jedes Gespräch einzeln zählen. Die Fragesteller trauen sich auch kaum, nachzufragen, nachzuhaken. Mit Ausnahme von Marina Kumchuk und Nicola Wilcke („Philtrat“), die zwar dabei auch nicht zu Lemkes Kern vordringen, aber zumindest amüsant scheitern. Interessiert es denn keinen, wie licht die Haare unter seiner legendären Schiebermütze sind? Ob Lemke tatsächlich im alten Schumann's Hausverbot genoß, weil er volltrunken an den Tresen gepinkelt haben soll? Und wie viel Rente der 69-Jährige erhält?
Einen Rentenanspruch wird er sich doch sicher aufgebaut haben, auf dem Höhepunkt seiner Karriere in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren, als er eben keineswegs als Filmguerilla low-budget arbeitete, sondern noch als gut bestallter Lohnregisseur. Die Cameo-Auftritte Horatius Haeberles und Michael Graeters im „Schmutzigen Süden“ sind eine kleine Reminiszenz an diese Ära.
1987, bei „Zockerexpress“ (bzw. „Zockerexpreß“) war ich auch mal vorübergehend mit im Lemke-Team. Es war wohl der erste seiner wirklich schlechten Filmen, wenn auch noch als großes Kino angelegt. Allein ich erhielt für die PR-Betreuung um die 10.000 Mark, an der Kamera stand Lothar Elias Stickelbrucks und für die Hauptrolle hatte man den holländischen Star Huub Stapel eingekauft. Ihn als männliche Hauptfigur umgarnte – ähnlich wie im „Schmutzigen Süden“ – ein weibliches Dreigestirn, die Türsteherin Sabrina „Sexkoffer“ Diehl, das persische Model Jasmin Zadeh und – als einzige Profischauspielerin – Dolly Dollar (Christine Zierl).
Wie es sich für die achtziger Jahre gehört, habe ich nur noch recht verschwommene Erinnerungen an die Dreharbeiten: Eingeprägt hat sich mir kein Bild vom Regisseur am Set, sondern wie Lemke nachts mit Produzent Hanno Schilf den Boden des Produktionsbüros nach einem verloren gegangenen Piece absucht. Autor Micha Lampert erschien zu den Scriptbesprechungen im Bella Italia immer mit einem Baseballschläger, weil das Multitalent gerade auch in einen Zuhälterkrieg verwickelt war. Jasmin Zadeh vertrug keinen Alkohol, weshalb ich als PR-Mann alter Schule sie ständig begleiten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß sie bereits nachmittags mit Champagnerflöten um sich schmiß oder nach einer Nacht im P1 die Tür der Wohnung eintrat, die sie für einen auf Ibiza weilenden Barkeeper hütete, weil sie den Schlüssel nicht finden konnte. Der Standfotograf bewarb sich um seinen Job, indem er mir Bilder einer minderjährigen Nackten am Starnberger See vorlegte. Und finanziert hat das ganze Chaos ein Großgrundbesitzer aus dem Münchner Umland, der sonst eher auf Pferde setzte.
Im Grunde sollte Klaus Lemke keine Filme mehr drehen, sondern sein eigenes Leben verfilmen lassen. Stoff genug gäbe es.

Updates:
Mehr von mir zu Huub Stapel und den Dreharbeiten von „Zockerexpress“.
„Film muss noch nicht mal gut sein“ – Lemkes „Hamburger Manifest“.
Lemke und ich auf Radio m94,5 zum Hamburger Manifest.

Sonntag, 15. August 2010

Berliner Boulevard at it's best – die schrägsten Zeitungsschürzen der 90er Jahre

Bei uns in München stand die „BILD“-Zeitung schon immer im Schatten der großen Boulevardschwestern „tz“ und „Abendzeitung“, aber als ich in den achtziger Jahren das erste Mal nach Westberlin zog, war ich doch überrascht, wie viel unbedeutender Deutschlands größte Tageszeitung dort war. Im Grunde nicht mehr als ein Wurmfortsatz im Springer-Konzern, der an der Spree mit der „BZ“ den Boulevard beherrschte. (Die „Bild am Sonntag“ gab's in Berlin bis zum Mauerfall sogar überhaupt nicht, um die Sonntagsausgabe der „Berliner Morgenpost“ zu schützen.)
Nach der Wende setzten dann Aboblätter wie der „Tagesspiegel“ (Giovanni di Lorenzo, Hellmuth Karasek!) oder die „Berliner Zeitung“ (Erich Böhme, Michael Maier, der Traum von der „deutschen Washington Post“) vorübergehend auf eine Qualitätsofffensive, aber die „BILD“ hatte nun neben der altverhaßten „BZ“ auch noch weitere Konkurrenten: den im Ostteil der Stadt übermächtigen „Berliner Kurier“ sowie – wenn auch nur etwas über ein Jahr lang – die von Burda verbrochene „Super!“ („Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“).
Nun kläffen kleine Köter gern besonders laut, wie man an den Schlagzeilen sieht, mit denen die „BILD“ in den neunziger Jahren sich vor allem gegen den hauseigenen Konkurrenten profilieren und die Berliner Käufer locken wollte. Manches klingt, als wären die Redakteure beim Titeln mit dem Kopf gegen den Balken geknallt.
Der Fotograf Henrik Jordan, mit dem ich Mitte der neunziger Jahren für den „Tagesspiegel“ unterwegs war, sammelte die schönsten Zeitungsschürzen der „BILD“ und „BZ“ und veröffentlicht sie jetzt nach und nach auf Facebook. Hier eine Auswahl.



Samstag, 14. August 2010

Freitag, 13. August 2010

Chipkarte für Kinder: Mehr Schein als Sein?

Bei der Diskussion um die Einführung einer Chipkarte für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern wird derzeit in vielen Medien (heute, „Süddeutsche Zeitung“, update: „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“) die Familienkarte der Stadt Stuttgart hochgejubelt.
Natürlich ist es generös, allen Familien mit einem Jahreseinkommen unter 60.000 Euro (!) per Chipkarte ein Guthaben von 60 Euro pro Kind (früher 90 Euro) zu schenken, das in Schwimmbädern, Sportvereinen, Musikschulen, dem Zoo und Planetarium eingesetzt werden kann.
Andererseits: was sind schon 60 Euro? Und wäre es nicht gerechter und vom Verwaltungsaufwand auch viel effizienter, die Subvention für Besserverdienende mit Monatsgehältern von 3.000, 4.000 Euro bei so einem Projekt einzusparen und stattdessen einfach allen Hartz-IV-Empfängern, Aufstockern und Niedrigverdienern beispielsweise grundsätzlich freien Eintritt zu gewähren – wie es etwa bei Schwerbehinderten auch möglich ist?
Nur ein paar Kostenbeispiele: Eine Alleinerziehende, die mit ihrem Kind den Tierpark Wilhelmina besucht, muß dafür 18 Euro bezahlen. Mit der Familienkarte darf sie sich so ein Vergnügen also genau fünfmal jährlich erlauben. Ein Nachmittag im Schwimmbad käme die beiden auf 5,70 Euro – das sind also für Mutter und Kind zehn Besuche im Jahr. Und die vielzitierten Waldheime und Musikschulen gewähren Karteninhabern zwar zusätzlich noch einen Rabatt von zwanzig Prozent. Ein Jahr Musikunterricht inklusive Anmeldegebühr käme damit aber immer noch auf mindestens 110 Euro und ein 1-wöchiger Aufenthalt im Waldheim auf 51,20 Euro.Und bei alldem heißt es für die Hartz-IV-Familie auswählen: Beispielsweise entweder Waldheim oder Schwimmbad, denn beides läßt sich von der Chipkarte nicht finanzieren.
Angesichts solcher Rechenbeispiele liegt es nahe, daß die Familienkarte, die bei mehr als drei Kindern gänzlich auf eine Vermögensgrenze verzichtet, weniger Kinder und Eltern in armen Verhältnissen fördern soll, denn ein Zuckerl für Familien im Allgemeinen sein soll und sich vor allem an den Mittelstand richtet. Was auch schön ist, aber die Bedürfnisse der Ärmsten in Deutschland letztendlich ignoriert.