Sonntag, 20. November 2011

Schubsen und sperren – bei Bildungsdemos sieht die Münchner Polizei rot

Bei allen Vorbehalten, die ich als Linker und displaced person der 2. Generation natürlich gegenüber jeder Staatsgewalt hege, sind wir bisher ein halbes Leben lang leidlich gut miteinander ausgekommen.
Als Demonstrant kam es zu der einen oder anderen Rangelei, als Journalist bin ich dagegen stets vorbildlich respektiert worden. Das unangenehmste Erlebnis war da noch, vom Polizeisprecher Christoph Reichenbach einmal mit Handschlag begrüßt zu werden, was meiner street credibility sicherlich kaum gut tat. Ansonsten: nada.
Selbst in den brenzligsten Situationen während der Sicherheitskonferenz oder eines Sechzger-Spiels hat die Polizei stets Respekt für die Presse gezeigt. Schließlich machen wir beide nur unsere Arbeit. Da kann man auch aufeinander Rücksicht nehmen.
Wie bei jeder Regel gibt es aber auch die berüchtigte Ausnahme, zuletzt am Donnerstag während des Bildungsstreiks. Die ausgesprochen ruhig verlaufene Demonstration war am Odeonsplatz eingetroffen. Ein paar Demonstranten hatten samt iher Banner die öffentlich zugängliche Feldherrnhalle erklommen, die Demonstrationsleitung ihrerseits per Lautsprecher dazu aufgerufen, dieses öffentliche Fiskaleigentum des Freistaats Bayern wieder zu räumen. Die Menge folgte der Aufforderung, Bereitschaftspolizisten mit der Kennung 14/20 und 14/21 rückten auf und drängten den weichenden Schülern und Studenten nach. Ich stand oben in der Feldherrnhalle, wo sich bei Demonstrationen Journalisten und Fotografen dank der erhöhten Position gern ein besseres Bild von den Kundgebungen machen.
Ein Polizeibeamter der 14/21er forderte mich auf, auch den Platz zu räumen, woraufhin ich ihm meinen Presseausweis zeigte und erklärte, ich sei Journalist und würde mir gern noch von oben einen besseren Eindruck verschaffen.
Ohne weitere Vorwarnung stieß mich daraufhin der Polizist von der obersten Kante der Feldherrnhalle die Treppe herunter und sagte gleichzeitig: „Das ist mir wurscht“.
Glücklicherweise bin ich nicht gestürzt, habe mich daher auch nicht verletzt. Alles paletti, könnte man sagen. Aber natürlich bleibt es ein Exzess, wenn ein Polizist in so einer ruhigen Situation unmittelbaren Zwang einsetzt. Und offenbar einen Sturz und damit eine Verletzung billigend in Kauf nimmt.
Schwerer wiegt die Entscheidung des Beamten, Presse mit Demonstranten gleichzusetzen. Man mag jetzt einwerfen, daß heutzutage allen möglichen Leuten der Presseausweis quasi nachgeworfen wird. Das ändert aber nichts an den – gerichtlich untermauerten – Spielregeln, daß eben Journalisten gegenüber der Polizei wie auch generell gegenüber dem Staat besondere Freiheiten genießen. Ein Grundrecht übrigens. Und wo gegenüber der unüberschaubaren Schar von Journalisten ein zusätzlicher Raster nötig ist, gibt es die Möglichkeit von besonderen Akkreditierungsmaßnahmen. Das mag vielleicht bei einem G20-Gipfel oder der Sicherheitskonferenz auch von Nöten sein, aber sicher nicht bei einer gewöhnlichen Schüler- und Studenten-Demo. (Und daß dann auch noch ausgerechnet in der Feldherrnhalle ein Uniformierter die Pressefreiheit mit Füßen tritt respektive mit der Hand wegschiebt, ist natürlich ganz besonders apart.)
Da kann man sich schon fragen, wieso ein Polizeibeamter ausgerechnet bei einer so friedlichen Kundgebung sich zu einem körperlichen Angriff hinreißen läßt. Wird da allein die Anwesenheit hunderter fröhlich demonstrierender Schüler und Studenten als Provokation empfunden? Diese Lackel, die es sich an Gymnasien und Unis gut gehen lassen, während der Herr Polizist hart arbeiten muß!
Oder hat es System? Denn das war nun in meinem Berufsleben bereits das zweite Mal, daß Polizeibeamte meine Arbeit derart behinderten. Das erste Mal war im Dezember 2009, als die Ludwig-Maximilians-Universität mit einer Aussperrung auf die Besetzung des Audimax durch Studenten reagierte. Unter Berufung auf den LMU-Präsidenten Bernd Huber ließ die Polizei damals auch die Presse nicht mehr in die Uni. Eine Entscheidung, die nicht nur vom Deutschen wie Bayerischen Journalisten-Verband verurteilt wurde, sondern für die sich Huber in einem höchstoffiziellen Kotau auch noch entschuldigte. Ein „Mißverständnis“.
Interessanterweise war der Einsatzleiter, der vor zwei Jahren der Presse höchstpersönlich den Zutritt zur Uni versagte, sich dabei ausdrücklich auf Professor Huber berief und jede weitere Diskussion mit den Journalisten rüde ablehnte, auch diesen Donnerstag zwischen Geschwister-Scholl- und Odeonsplatz präsent.

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